Sonntag, 19. März 2023

"Er ist an einem toten Punkt angelangt"

Starlog Artikel über Lizenz zum Töten
Kürzlich habe ich einige alte Filmmagazine aus dem Jahr 1989 erstanden, hauptsächlich wegen Artikeln zu BATMAN, mit dessen fulminanter Werbekampagne ich sehr nostalgische Gefühle verbinde (siehe dazu auch hier oder hier). Interessant sind aber auch die Artikel zu anderen Werken dieses denkwürdigen Filmjahres, darunter vor allem einer in der Zeitschrift Starlog zu Lizenz zum Töten, vom renommierten Autoren Lee Goldberg. Erstaunlich vor allem, weil Goldberg hier bereits im September 1989, als sich der vergleichsweise geringe Erfolg des Films noch nicht vollständig abzeichnete, die Mauer noch nicht gefallen war und noch niemand etwas vom folgenden Rechtsstreit ahnte, das Franchise in einer existentiellen Krise sieht.

Timothy Dalton äußerte sich ebenfalls dahingehend, dass Lizenz zum Töten seinem Bauchgefühl nach der letzte Bondfilm sein könnte. Woher kam dieses Gespür für einen gewissen 'Hauch des Todes', das Franchise betreffend, noch bevor es dann tatsächlich in seine bisher schwerste Krise stürzte?


Die einleitenden Worte von Goldberg erweisen sich da als fast schon prophetisch: "James Bonds größter Feind ist kein größenwahnsinniger Superschurke mit Weltherrschafts-Ambitionen. Es ist die Zeit.

Wenige Dinge altern so schlecht wie Filmhelden. Sie sind Produkte ihrer Zeit, die, sobald diese vorbei ist, altmodisch aussehen, oder, noch schlimmer, wie Karikaturen ihrer selbst. Was einst einzigartig war, wird schnell gewöhnlich. James Bond ist da anders. Bis zu einem gewissen Grad."

movie magazines from 1989, Batman
Bis auf die letzten Anmerkungen nimmt das den Grundtenor der Autoren vorweg, die Anfang der 90er über Bond schrieben. Als eine der Herausforderungen für das Bond-Franchise in seiner Zeit sieht Goldberg die allgemein sehr hoffnungsvolle Stimmung, mit Gorbi-Mania und dem sich schon abzeichnenden Ende des Ost-West-Konflikts. "Ich glaube, die Menschen sind heute hoffnungsvoller als je zuvor", wird Michael G. Wilson zitiert, "und sie wollen nicht, dass jemand diese Hoffnung trübt". War Lizenz zu Töten zu pessimistisch und zynisch für sein Publikum? Es war sicher kein Zufall, dass ausgerechnet Bond in dieser Zeit eine Krise erlebte, während etwa die Star-Trek-Utopie oder klassische Disney-Zeichentrickfilme neue Höhenflüge erreichten.

Ein weiterer, heute gern übersehener Aspekt für die Skepsis bezüglich Bond war wohl auch, dass das Original-Material von Ian Fleming erschöpft war. Michael G. Wilson gab zu Protokoll, dass man in den verbleibenden Kurzgeschichten keinen Stoff für zukünftige Filme sieht. Die Rechte an Casino Royale hatte man damals wohl abgeschrieben. (Leider, möchte man fast sagen, denn die Vorstellung einer ernsthaften Realisation des ersten Bondromans mit Dalton in den 90ern hat durchaus einen gewissen Reiz.)

Für einigermaßen begabte Autoren sollte das Ausgehen der Originalgeschichten zwar eigentlich kein Problem darstellen, trotzdem ist es auch nicht so leicht, wie es oft erscheint, den typischen Spirit von Ian Fleming zu treffen. Zahlreiche eher mittelmäßige Nachfolgerromane und auch Filmhandlungen bezeugen das. Durch das Ende des Kalten Krieges wurde dieses Problem noch zusätzlich verschärft. Bereits Der Spion, der mich liebte, Moonraker oder Im Angesicht des Todes hatten nicht mehr viel mit den titelgebenden Geschichten gemein, aber durch den Hintergrund der konkurrierenden Weltmächte war diese Aufgabe noch um einiges leichter. 

Der eher maue und wenig spektakuläre Titel Licence To Kill - und auch der ursprünglich beworbene Arbeitstitel Licence Revoked - klingen eher nach John Gardner als nach Fleming, und deuteten hier für viele Beobachter sicher schon eine kreative Krise an. Die Bücher von John Gardner, die bis Ende der Achtziger einigen Erfolg vorweisen konnten, wurden von Wilson allerdings eindeutig als mögliche Quelle verworfen. Man sehe nichts in diesen Romanen, das nützlich für die Filme wäre. (Böse Zungen würden dazu wohl sagen, dass man dafür erstaunlich viele Parallelen zwischen den Bondfilmen der Achtziger und Gardners Büchern sehen kann. Ob Zufall oder nicht, so wertlos können die Romane dann nicht sein.)

Interessant sind auch Wilsons Aussagen zu Jack Lord als Felix Leiter und zu a-ha. Er sagt, man habe nie wieder einen so passenden Schauspieler für die Rolle des Leiter finden können wie Lord. Die Zusammenarbeit mit a-ha bezeichnet Wilson dagegen als Enttäuschung, was so kurz nach dem entsprechenden Film The Living Daylights eher ungewöhnlich ist. (Wobei man auch sagen muss, dass a-ha selbst so ziemlich alles dafür taten.)

Wilson betont anschließend, dass - obwohl man sowohl in Flemings als auch Gardners Büchern nichts filmisch verwertbares mehr sieht - man doch die Rechte an beiden inne hat, für alle Ewigkeit.

"Das ist Optimismus", schreibt Goldberg dazu skeptisch. "Diamanten sind für die Ewigkeit, aber ist es auch James Bond? Die Unsterblichkeit des Charakters ist gesichert. Aber die Zukunft der erfolgreichsten Reihe der Filmgeschichte ist immer noch abhängig von verkauften Kinotickets - und der Zeit."

Welch Ironie, dass heute - fast 25 Jahre später - die Unsterblichkeit des Charakters längst über den Jordan gegangen ist, während man die Zukunft der Filmreihe an sich als gesichert verkauft.

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