Samstag, 12. Oktober 2019

Der ewige Joker


Batman wird in diesem Jahr 80 Jahre alt. Zelebriert wird das Jubiläum mit einem Film, der einen ähnlich phänomenalen Erfolg hat wie Christopher Nolans THE DARK KNIGHT 2008: JOKER, unter der Regie von Todd Phillips. Der Film erhielt den Goldenen Löwen der diesjährigen Filmfestspiele von Venedig, was für einen im Superhelden-Comic-Universum angesiedelten Film ebenso ungewöhnlich ist wie der Oscar für Heath Ledger. Auch Joaquin Phoenix wird für seine Darstellung als Oscar-Kandidat gehandelt.

Mittlerweile hat man ein bisschen den Eindruck, dass die Schurken das Batman-Universum übernommen haben. Batman selbst, beziehungsweise sein Alter Ego Bruce Wayne, ist dabei oft nur noch Gast und Nebendarsteller in seiner eigenen Welt. Wie in SUICIDE SQUAD, der Serie Gotham und jetzt in JOKER. Auch in den DC-Ensemblefilmen, die Marvel nacheifern, ist Batman als einziger Normalo unter echten Superhelden eher geduldeter Außenseiter. Was paradox ist, denn eigentlich ist er der größte Trumpf von DC.

Ein Schicksal, das auch dem über fünfzigjährigen Bond-Franchise in Zukunft widerfahren kann? Oder wären Origin-Filme für Gegenspieler wie Blofeld, Goldfinger oder Silva auch hier eine Chance?






Mit Bat-Hosenträgern 1989
Das Jahr 1989 - damals das fünfzigjährige Franchise-Jubiläum, ähnlich wie SKYFALL bei Bond - stand für mich völlig im Zeichen der Fledermaus. Den Bondfilm Lizenz zum Töten hatte er in der öffentlichen Wahrnehmung zurückgedrängt. Mich als Zwölfjährigen hatte das sehr clevere Marketing zu diesem Film auch völlig in ihren Bann gezogen, und ich hatte mir von meinem Taschengeld Comics, Romane, Sonderhefte zum Film und sogar Batman-Hosenträger gekauft. Ich kann mich erinnern, bei einem Besuch von Verwandten die Kurzgeschichtensammlung Mehr Abenteuer von Batman gekauft zu haben, zu der unter anderen auch Issac Asimov eine Story beigesteuert hatte. Auf der nächtlichen Rückfahrt las ich eine Geschichte, in der der Joker wesentlich bedrohlicher und gruseliger, aber auch faszinierender wirkte als dann im Kinofilm.

Wenige Franchises können eine derartige Riege illustrer und ikonischer Schurken vorweisen, zu der immer Neue hinzukommen. Die Joker-Gespielin Harley Quinn zum Beispiel, die mittlerweile - wenn auch in völlig anderer Erscheinung und Auslegung - ihre eigene Filmreihe hat, entstand erst in den 1990er Jahren für die animierte TV-Serie. Auch Bane aus THE DARK KNIGHT RISES ist noch relativ jung. Die Figur des Joker hat dabei eine besondere Faszination, obwohl er wie Batman im Laufe seiner fast achtzigjährigen Geschichte teilweise fast gegensätzliche Erscheinungsformen hatte.

Der Zeichner Frank Miller sagte über Batman einmal: "Batman ist wie ein Diamant. Man kann ihn an die Wand schmeißen oder mit dem Hammer draufklopfen, aber man kann ihn nicht brechen. Jede Interpretation scheint zu funktionieren." Genau dasselbe gilt für seinen ewigen Gegenspieler, den Joker. Egal ob er als eher harmloser Spaßvogel à la Cesar Romero daher kommt oder als mörderischer Psychopath, ob man seinen bürgerlichen Ursprung kennt oder er wie ein nicht greifbares Phantom wirkt. Jack Nicholson schien mit seinem Shining-Grinsen schwer zu toppen sein, bis Heath Ledger kam. Ledger hat wiederum mit seiner tragisch-genialen Performance Filmgeschichte geschrieben, so dass man sich sehr schwer eine vergleichbare Leistung vorstellen konnte. Bis Joaquin Phoenix jetzt die Rolle verkörpert und wiederum Publikum und Kritiker begeistert.

Conrad Veidts geniale Darstellung in The Man Who Laughs
inspirierte die Figur des Jokers
Phoenix' Darstellung in JOKER zieht einen ähnlich in seinen Bann wie die des tragisch verstorbenen Heath Ledger, obwohl sie völlig anders angelegt ist. Regisseur Todd Phillips, der mit der HANGOVER-Trilogie selbst aus dem komischen Bereich kommt, gelingt es mit diesem Film, die legendäre Figur noch einmal völlig neu zu interpretieren, ohne das zugrunde liegende Comic-Universum zu verraten. Im Gegenteil, manches Bekannte aus der Bat-Geschichte erscheint in einem anderen Licht und ergibt mehr Sinn. Ein erfolgloser Comedian war der Joker auch in der Graphic Novel The Killing Joke, insofern ist die Neu-Interpretation nicht zu weit weg.

JOKER zeigt auf jeden Fall, wie die Neu-Interpretation eines Erz-Schurken außerordentlich gut gelingen kann. In diesem Punkt macht der Film all das richtig, was SPECTRE grundfalsch machte.

Bezogen auf den eigentlichen Helden Batman entwickelt sich die große Stärke des Franchises - seine faszinierenden Schurken - aber auch zu einer Schwäche, wenn sie den Dunklen Ritter überstrahlen und zur Nebenfigur degradieren. Besteht diese Gefahr auch im Bond-Universum? Es gab durchaus Bondfilme, in denen der Gegenspieler dem jeweiligen Hauptdarsteller an Charisma ernsthaft Konkurrenz machte, wie Telly Savalas' Blofeld, Christopher Lees Scaramanga oder Christopher Walkens Zorin. Aber bisher hatte James Bond als Charakter genügend Faszination, um seine eigenen Filme zu tragen.

Man muss auch sagen, dass ein Stand-Alone-Film wie JOKER wahrscheinlich erst durch das Miss-Management von DC und Warner möglich wurde, mit dem - wie oben bereits erwähnt - das Potential von Batman nicht mehr ausgeschöpft wurde, sondern man ihn lieber in Möchtegern-Marvelfilmen verheizt hat. Diese Gefahr besteht in der Bondreihe bisher nicht, wobei sich das aber auch sehr schnell ändern kann. In Interviews mit Produzentin Barbara Broccoli klang schon oft durch, dass das typische Männerfranchise Bond für sie auch eine Belastung ist, und sie gern den aktuellen Zeitgeist bedienen würde. Es bleibt abzuwarten, inwiefern das mit dem neuen Bondfilm bereits umgesetzt wird.

Aber es besteht noch ein anderer grundlegender Unterschied, was Stand-Alone- und Origin-Filme betrifft. Bei Comic-Helden und -Schurken gibt es einen 'moment of origin', bei dem ein bisher eher normaler Mensch von außen oder durch Eigenantrieb in einen neuen Charakter transformiert wird. Auch bei anderen Superschurken wie etwas Darth Vader gibt es diesen entscheidenden Moment.

Bei Bondgegenspielern fehlt diese Transformation größtenteils. Die meisten Gegenspieler haben eine relativ normale, eher lineare Karriere hinter sich, eine negative Form des 'American Dream'. Goldfinger, Largo, Blofeld, Kananga, Drax, Orlov, Zorin, Sanchez, Carver etc. waren nie normale, unauffällige Bürger, sondern haben vermutlich schon seit ihrer Jugend nach Macht und Reichtum gestrebt. Interessant wäre hier nur die Art und die Wahl der Mittel bei ihrem Aufstieg. Aber eine menschliche 'Heldenreise' mit Charakter-Entwicklung wie in JOKER ergibt das nicht.  

Ausnahmen gibt es jedoch: Dr. No war offenbar vor seiner Verstümmelung ein relativ normaler Wissenschaftler. Auch bei Alec Trevelyan und Colonel Moon wird eine Art Transformation gezeigt, und bei Elektra King und Raoul Silva fand sie in der Vergangenheit wohl ebenfalls statt. Aber es liegt auch die Vermutung nahe, dass diese Charaktere schon vorher psychopathisch waren. Von der Ikonographie mit dem Joker aufnehmen kann es von den Genannten am ehesten Dr. No, und es gibt auch Gerüchte, dass er in NO TIME TO DIE auftritt.

Das Potential für einen Film wie JOKER ist zwar geringer als in anderen Franchises, aber auch nicht völlig abwesend.

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