Samstag, 29. Juni 2013

Das Theater um Mendes

Sam oder nicht Sam - Das ist die Frage. Im Zuge der Premiere der von ihm inszenierten Mucical-Version von Charlie and the Chocolat Factory sagte Sam Mendes in verschiedenen Interviews, dass er die Entscheidung für oder gegen einen weiteren Bondfilm noch nicht getroffen habe. Vor fast genau einem Monat berichteten zahlreiche Seiten noch, dass Mendes wahrscheinlich sogar für zwei weitere Bondfilme zurückkehren wird, während Mendes im März sagte, dass ihn die Aussicht auf weitere Bondfilme 'physically ill' mache. (Siehe Bericht hier) Mendes befinde sich bezüglich des 'B-Worts' noch in Verhandlungen, wolle sich aber erst entscheiden, wenn er seine Theaterverpflichtungen abgeschlossen habe.



Charlie and the Chocolat Factory, basierend auf dem Kinderbuch von Roald Dahl, der auch das Drehbuch zu YOU ONLY LIVE TWICE schrieb, soll bis 31. Mai 2014 laufen, womit sich Mendes' Entscheidung noch etwas hinziehen könnte. In früheren Interviews bezog sich Mendes außerdem auf seine Regie für King Lear, der im Januar 2014 starten soll. Meiner Meinung nach tun sich beide Seiten mit dieser Informationspolitik keinen Gefallen. Von einem Erfolgsregisseur sollte man die Fähigkeit erwarten, innerhalb eines vertretbaren Zeitfensters eine verantwortungsvolle Entscheidung treffen zu können. Am Set eines millionenschweren Films sind derartige Entscheidungen ja tagtäglich gefragt. Mendes dagegen hält die Produzenten über Monate hinweg öffentlich hin, mit Aussagen à la "Beim Gedanken an einen weiteren Bondfilm wird mir schlecht", dann "Vielleicht überleg ich mir's ja doch noch", dann "Mal schauen, aber ich mach erst mal mein Theater". Die Produzenten machen die Produktion eines von Millionen Fans erwarteten Multimillionen-Dollar-Spektakels damit von einer einzelnen Person abhängig. Immerhin könnte sich Mendes ja schließlich doch noch gegen einen weiteren 007-Film entscheiden, womit die Suche nach einem Regisseur erneut anfangen würde. Ob der große Erfolg von SKYFALL, der zu einem gewissen Prozentsatz sicher auch auf die Berichterstattung um das 50jährige Jubiläum zurückzuführen ist, das wirklich rechtfertigt?

Montag, 24. Juni 2013

7 Dinge, die Daniel Craig als Bond noch tun muss

Es gibt Dinge, die ein Bond tun muss. Einiges davon hat Craigs Bond schon erledigt, oder sogar auf kreative Weise neu definiert - sich mit "Bond, James Bond" vorstellen, gegen einen Schurken im Casino antreten, eine Autojagd mit dem Aston Martin oder der Flirt mit Moneypenny. Bei manchen stimmt nur die Reihenfolge noch nicht ganz, aber es gibt auch Dinge, die Craigs Bond noch tun muss, um sich in die Riege der klassischen Bonds einzureihen.







007  In seiner Wohnung oder Büro agieren

Nur zweimal sah man Bond bisher in seinem Londoner Domizil - Sean Connery und Roger Moore in ihrem jeweils ersten Bondfilm. Beide Male war es sehr hilfreich, um den jeweiligen Bondtyp zu definieren. Craigs Bond besuchte in SKYFALL immerhin sein Elternhaus, und man sah auch erstmalig seine Garage. Nachdem im letzten Film seine Wohnung samt Mobilar verkauft wurde, wäre jetzt eine gute Möglichkeit, seine neue Wohnung zu zeigen. Da er als Jetsetter sicher wenig Zeit für eine komplette Neueinrichtung hat, könnte man praktischerweise auch seine Haushälterin aus den Romanen einführen - die "schottische Perle" May. Ebenso interessant wie seine Wohnung ist auch sein Büro, das man nur in ON HER MAJESTY'S SECRET SERVICE sowie als digitale Version in DIE ANOTHER DAY sah.

006  Navy-Uniform anhaben

James Bond bekleidet den Rang eines Royal Naval Reserve Commander, CMG. In bisher nur drei Filmen sah man 007 in der entsprechenden Uniform: YOU ONLY LIVE TWICE, THE SPY WHO LOVED ME und TOMORROW NEVER DIES (Interessanterweise alles Filme, deren Erschungsjahr auf 7 endet). Es ist zwar kein klassisches Element, aber es erdet die Figur nach all ihren Eskapaden immer ein bisschen. Craig in Uniform hätte was. Außerdem hätte Bond dann endlich mal wieder die Möglichkeit, eine Kopfbedeckung an einen Garderobenhaken zu werfen. (mehr zur Uniform hier)

005  Ski fahren

Die ultimativen Skiszenen enthält zwar bereits ON HER MAJESTY'S SECRET SERVICE, aber seitdem gab es in Bondfilmen immer wieder atemberaubende Schnee-Action. Nach George Lazenby durfte Roger Moore in drei Filmen skifahren und sogar snowboarden, Pierce Brosnan dann in THE WORLD IS NOT ENOUGH. Toll wäre natürlich noch einmal eine Mitwirkung von Willy Bogner.

004  Tauchen

Ähnlich wie bei den Skijagden wurden Unterwasserszenen bereits mit THUNDERBALL definiert. Aber zu Bonds Charakter gehört eine gewisse maritime Affinität. Fleming ließ Bond immer wieder ausgedehnte und gefährliche Tauchgänge unternehmen, wie beispielsweise in Leben und sterben lassen. Zudem wäre es auch wieder eine Möglichkeit, den Ladies Craigs muskulösen Körper zu zeigen.

003  Eine Gadget-Armbanduhr benutzten

Mittlerweile scheint das Handy die Armbanduhr als Universalgadget abgelöst zu haben. Trotzdem sind gut ausgestattete Uhren für mich ein Bestandteil der Gesamtfaszination von Bond, und letztlich ja irgendwo auch männlicher und stilvoller als Handys. Und es muss ja auch nicht gleich ein Laser oder eine Minibombe sein, vielleicht etwas dezentes.

002  Den Film mit der Leading Lady im Arm beenden

Die finale Szene mit dem Bondgirl nach der Explosion des Schurkenverstecks, die Abblende mit dem hingehauchten "Oh, James!", ist eines der Bondklischees überhaupt. Spätestens in THE WORLD IS NOT ENOUGH wirkte das irgendwie erzwungen, und man hat das in den Craig-Filmen bisher sicher absichtlich vermieden. Nachdem die Schlusszenen der letzten drei Filme jeweils feierlich betonten, dass Bond nun endlich der Alte ist, wäre es aber auch mal an der Zeit, das einfach zu zeigen. Wie sang schon Tom Jones: "It's not unusual to have fun with anyone".

001  Einen Countdown stoppen / Die Welt retten

Wie der Punkt davor ist das wohl eins dieser Klischees, die Mike Myers und andere dankbar auf's Korn nahmen. Die wahre Meisterschaft eines Autors zeigt sich meiner Meinung nach allerdings nicht darin, solche zum Klischee gewordenen Genre-Konventionen einfach wegzulassen, sondern sie auf kreative Weise zu variieren und mit neuer Bedeutung aufzuladen - Gib dem Publikum, was es will, aber nicht so, wie es will. In Bezug auf den Final Countdown und/oder ein globales Bedrohungsszenario wären die Autoren hier gefordert. Aber auch hier wäre es auf jeden Fall schön, Bond nach einer ausführlichen Neudefinitionsphase auch endlich in klassischen Gefilden ankommen zu sehen.

Freitag, 21. Juni 2013

Der "inoffizielle" Schurke

Der heute vor 70 Jahren im österreichischen Bad Aussee geborene Klaus Maria Brandauer reihte sich 1983 in die Reihe charismatischer deutschsprachiger Bondgegenspieler ein - neben Lotte Lenya, Gert Fröbe und Curd Jürgens. Irvin Kershner, Regisseur des Remakes NEVER SAY NEVER AGAIN, wollte die Rolle des Schurken Largo realistischer und moderner anlegen, ohne Augenklappen und Narben. Sean Connery persönlich überredete Brandauer am Telefon zu der Rolle mit der Aussicht auf "a lot of money and a lot of fun". Doch gerade dieser Spaß sollte während der problematischen Produktion des Konkurrenzbond größtenteils fehlen.


Der Schauspieler und Regisseur am Wiener Burgtheater debütierte 1972 mit dem Streifen THE SALZBURG CONNECTION, bereits ein - wenn auch bescheidener - Agententhriller. Nach einigen Fernsehrollen folgte 1981 schließlich der filmische Durchbruch mit der Klaus-Mann-Verfilmung MEPHISTO. Brandauers leidenschaftliche Spiel und Intensität begeisterten Kritiker, er wurde als einer der größten lebenden Schauspieler Europas gehandelt. Sean Connery wurde auf den Österreicher aufmerksam und überredete ihn zur Mitarbeit an dem von Produzent Kevin McClory von langer Hand vorbereiteten Remake des 1964er Bondfilms THUNDERBALL.

Der eindeutig von Mafiabossen inspirierte Emilio Largo ist im Roman einer der wenigen Gegenspieler, die körperlich normal und sogar attraktiv sind. Laut Flemings Beschreibung könnte er ein römischer Centurio sein. In der ersten Verfilmung, bei der sich McClory den Produzentenjob mit Broccoli und Saltzman teilte, gab man ihm dann doch einen Makel in Form einer Augenklappe. Der Sizilianer Adolfo Celi spielte Largo dann auch eher als den gesetzten älteren Herren, der als Gegenspielertyp in der Sechzigern vorherrschte.

Kershner und Connery wollten den Maximilian Largo in der Neuverfilmung bewusst anders anlegen. Kershner sah ihn eher als machthungrigen Geschäftsmann: "I wanted the antagonist to be contemporary, and a contemporary antagonist to me was a greedy businessman. The corporations have gotten away with murder and they're changing our world. [...] He should also be a believable, powerful antagonist who could be said to be insane, but is not. If he's insane then he can make no choices. I wanted someone who could make choices, and his choice was power."* (Dieser Ausspruch hätte genausogut von Mark Forster für den Charakter des Dominic Greene stammen können...)

Obwohl Kershner Brandauers Arbeit und seine Balance zwischen Wahnsinn und Cleverness lobte, gestaltete sich die Zusammenarbeit nicht einfach, vor allem aufgrund des unausgereiften Drehbuchs und der ständigen rechtlichen Interventionen durch Eon: "But I had problems directing [Brandauer] because he was always testing the director. He's a very bright man. And he was constantly putting me through the hoop, and I'd have to jump." Autor Dick Clement, der zeitweise an einer Überarbeitung des Drehbuches mitwirkte, erinnerte sich, dass sich beispielsweise Szenen zwischen Largo und der von Kim Basinger gespielten Domino ewig hinzogen: "They were really ponderous scenes. It was as if the actors didn't trust the script at that point, with some reason." Laut Clement wirkte sich das dürftige Drehbuch negativ auf die Schauspieler aus: "Brandauer, who can be a very fine actor, was doing the sort of things that actors do when they don't trust the text; in other words falling back on every trick that they've ever done."*

Nichtsdestotrotz erwies sich Brandauers Largo als einer der wenigen Aspekte des Films, die von Kritikern einhellig gelobt wurden. Das People Magazin schrieb beispielsweise: "It's the kind of performance that should be shown in acting classes - understated, tense and full of intelligence. He becomes one of the screens most convincing psychotics." Seine Art der Darstellung sollte sich auf die "offizielle" Bondreihe auswirken. (Zu den Auswirkungen von NEVER SAY NEVER AGAIN auf die Eon-Reihe, speziell des Gegenspielers, möchte ich noch in einem gesonderten Beitrag eingehen) Der Film bedeutete auch den endgültigen Durchbruch für Klaus Maria Brandauer, der 1990 in THE RUSSIA HOUSE auch noch einmal mit Connery zusammenarbeitete. Er erhielt mehr amerikanische Kritikerpreise als jeder andere deutschsprachige Filmschauspieler.


Bond & Beyond gratuliert mit einem abgewandelten Largo-Zitat: Sie waren ein fabelhafter Gegenspieler! Hier noch ein Überblick über Fernsehsendungen anlässlich des Geburtstages von Klaus Maria Brandauer in den nächsten Tagen:

Sonntag, 23. Juni
3sat, 11:55: "Ich bin's am Ende immer selbst"

BR-aplha, 23:35: "Heut abend: Klaus Maria Brandauer"
Zu Gast bei Joachim Fuchsberger

Montag, 24. Juni
MDR, 22:50: "Mephisto"

Dienstag, 25. Juni
3sat, 20:15: "Die Auslöschung"
Nikolaus Leytners Alzheimer-Drama "Die Auslöschung" ist die Geschichte einer großen Liebe, die auf den Prüfstand kommt, als beim Mann eine schwere Demenzkrankheit diagnostiziert wird. In den Hauptrollen Klaus Maria Brandauer und Martina Gedeck.

Sonnabend, 29. Juni
BR-alpha, 19:30: Klaus Maria Brandauer - Der Spieler

Hier auch noch ein Überblick über Sendungen im österreichischen Fernsehen.


* alle Zitate aus The Battle for Bond, Robert Sellers, 2008, Tomahawk Press

Montag, 17. Juni 2013

Biographisches Ranking der Bondfilme

Hier mal eine Aufstellung der Bondfilme nach dem Alter des jeweiligen Hauptdarstellers, zusammen mit den Originalromanen. Auffällig ist, dass die meisten Filme im Alterszeitraum 40 bis 50 entstanden sind, während der Buchbond in seinen Dreißigern am aktivsten war.






Die Altersangaben für die Bücher habe ich der Chronologie von John Griswold entnommen, mit dem Geburtsjahr 1920 aus John Pearsons Biographie. Im Roman Moonraker ist zu lesen, dass Bond noch acht Jahre hat, bis er 45 ist. Das würde heißen, dass er 1953 37 war (und immerhin schon der Dienstälteste der Doppelnull-Abteilung). Allerdings schrieb Fleming im Nachruf auf Bond im Roman You Only Live Twice, dass Bond schon einmal sein eigenes Alter nach oben korrigiert hatte.

Interessanterweise erwähnt Fleming in Moonraker auch, dass einem Agenten mit 45 automatisch der Doppelnull-Status entzogen und ihm ein Schreibtischjob zugewiesen wird. Dem Filmbond wird mit 45 auch die Lizenz entzogen, allerdings wegen einer privaten Vendetta. Rein alterstechnisch realistisch ist wohl auch das Szenario um einen beruflich nicht mehr ganz geeigneten Bond in SKYFALL. Für Roger Moore ging die Agentenkarriere mit 46 aber gerade erst los.

Für den originalen Romanbond war mit 44 tatsächlich Schluß. In Colonel Sun war er noch 45, in Christopher Woods Romanen zu THE SPY WHO LOVED ME und MOONRAKER 57 und 59. Die Romane John Gardners waren dann jenseits von Gut und Böse, mit einem Bond in den Sechzigern. Roger Moore dürfte mit A VIEW TO A KILL wohl die rote Laterne auf absehbare Zeit behalten. Selbst David Niven war als Sir Bond im Ruhestand in CASINO ROYALE von 1967 ein Jahr jünger.

Falls Bond 24 2015 erscheinen sollte, wäre Craig immer noch im selben Alter wie Moore in seinem zweiten Film. Rein statistisch läge er also noch locker im Mittelfeld.

Donnerstag, 13. Juni 2013

Der Fluch der bösen Tat

The Place Beyond The Pines
USA 2012
Regie: Derek Cianfrence
Darsteller: Ryan Gosling, Bradley Cooper, Eva Mendes

Wer hat sich nicht irgendwann mal gefragt, wie stark man nach seinen Eltern, speziell seinem Vater, kommt? Ob man letztendlich dazu verdammt ist, dessen Fehler, wie offensichtlich sie einem auch erscheinen mögen und wie sehr man sie vermeiden wollte, im eigenen Leben zu wiederholen? Derek Cianfrence' Film THE PLACE BEYOND THE PINES geht diesen zutiefst menschlichen Fragen anhand zweier eher unterschiedlicher Männer nach, dargestellt von Ryan Gosling und Bradley Cooper.


Gosling spielt den zwischen Sehnsucht und Aggression schwankenden Motorradstuntfahrer Luke, der seinen Lebensunterhalt auf einem herumziehenden Jahrmarkt verdient. Nachdem er erfahren hat, dass der Sohn seiner früheren Geliebten Romina (Eva Mendes) von ihm ist, will er das rastlose Leben aufgeben und für seine Familie da sein. Vor allem auch, weil er in seiner eigenen Kindheit erfuhr, wie es ist ohne den Vater aufzuwachsen. Doch die Gelegenheitsjobs werfen natürlich nicht genug ab, um eine ernsthafte Konkurrenz für Rominas neuen Partner zu sein. Und so entschließt er sich eines Tages, sein Talent als Stuntfahrer für Banküberfälle zu nutzen. Eine Entscheidung, die gravierende Folgen für sein Leben und das anderer haben wird.

Dem gegenüber steht der junge Streifenpolizist Avery Cross (Bradley Cooper), der ebenfalls sozusagen vom Bösen in Versuchung geführt wird, auf den ersten Blick aber bessere Entscheidungen trifft als Luke. Bradley Cooper wirkt hier ungewohnt seriös und ernst. Neben Gosling und Cooper beeindrucken auch Eva Mendes, Rose Byrne (die übrigens für die Rolle der Vesper in CASINO ROYALE in der engeren Wahl war, um mal den obligatorischen Bogen zu Bond zu spannen) und der bedrohlich-charismatische Ray Liotta, einer meiner Lieblingsschauspieler.

Auf den ersten Blick erinnert die Geschichte an DRIVE, in dem Gosling ebenfalls einen auf Abwege geratenen wortkargen Stuntman verkörpert. Auch die Melancholie der Bilder weckt diese Assoziation. Doch sein Charakter ist hier ambivalenter. Überhaupt geht der Film eher experimentell mit seinen Hauptfiguren um, und folgt ihren Handlungen und deren Konsequenzen, ohne sie zu werten. Keine der Figuren ist klar in sympathisch und unsympathisch getrennt, man kann mit jeder mitfühlen. Auch der neue Liebhaber und Konkurrent des Protagonisten - ein Charakter, der in den meisten Filmen quasi zum Abschuss freigegeben ist - hat hier seine Szenen.

Und der Film nimmt einige überraschende Wendungen, die ich hier nicht verraten möchte. Wer einen stylishen Cop-jagt-Bankräuber-Thriller erwartet, wird das eine oder andere Mal verwundert sein. Oder auch enttäuscht? THE PLACE BEYOND THE PINES ist einer dieser Filme, bei denen ich nicht mit einer klaren Gut-Schlecht-Wertung aus dem Kino kam. Einiges muss man erst "sacken lassen", doch der Film wirkt für mich positiv nach. Ich bin kein Fan von Noten und Sternchen, doch ich würde dem Film ein klares Prädikat 'Sehr sehenswert' geben.

Donnerstag, 6. Juni 2013

Bomben, Clowns und Zarenschätze

OCTOPUSSY wird 30

Am 6. Juni 1983 feierte der 13. James-Bond-Film OCTOPUSSY in London Premiere. Dominiert wurden die Schlagzeilen um den Film vor allem durch den sogenannten "Konkurenzbond" NEVER SAY NEVER AGAIN, (Sag niemals nie) der jedoch erst Monate später startete. Obwohl sich beide Film um entwendete Nuklearwaffen drehen, sind sie im Ansatz doch sehr unterschiedlich. Das Produktionsdesign von NEVER SAY NEVER AGAIN ist modern und mit dem Videospielduell sogar futuristisch, während viele Handlungselemente von OCTOPUSSY bewusst an Abenteuer aus vergangenen Zeiten erinnern. Bond & Beyond wirft einen Blick auf die Inspirationen und Zutaten des 007-Thrillers.

Ursprünglich war Octopussy als Supergangsterin angelegt, die sich an Blofeld für die Verstümmelung beider Hände rächen will. Sie sollte sich mit Bond zusammentun, der mit dem Katzenliebhaber auch noch eine Rechnung offen hat. Die rechtlichen Dauer-Querelen mit THUNDERBALL-Co-Produzent Kevin McClory verhinderten aber wieder einmal, dass Bonds Erzfeind noch einmal zu filmischen Ehren kam. Ein anderer Story-Entwurf machte es dem Titel die Superwaffe OCTO-PC. (Mehr dazu hier)

Hollywood-Legende Faye Dunaway (CHINATOWN) bekundete in Interviews Interesse an der Titelrolle. In Betracht gezogen wurden auch Persis Khambatta (STAR TREK - THE MOTION PICTURE), Susie Coelho und Barbara Parkins. Die Presse brachte das österreichische Erotik-Starlet Sybil Danning ins Gespräch, vermutlich wegen des anzüglichen Titels.

Auch für 007 wurde verschiedene Schauspieler getestet, um Roger Moore abzulösen. Darunter der US-Amerikaner James Brolin, Michael Billington, der bereits in THE SPY WHO LOVED ME als Liebhaber von Triple X auftrat, Timothy Dalton, Ian Ogilvy oder der Schweizer Oliver Tobias. Brolin hatte von ihnen die besten Chancen und wäre beinahe der vierte Bonddarsteller geworden.

Aber schließlich zog man es doch vor, den etablierten Roger Moore anstelle eines neuen Darstellers ins Rennen gegen "Ur-Bond" Sean Connery zu schicken. Damit brauchte die weibliche Hauptrolle auch kein Star sein und man konnte hier an der Gage sparen. (Dunaway kam ein Jahr später doch noch zu ihrem Schurkinnen-Auftritt in SUPERGIRL). Albert R. Broccoli beschloss, die als Schwedin eigentlich kaum indisch aussehene Maud Adams für die Titelrolle zu besetzen, die bereits in THE MAN WITH THE GOLDEN GUN an der Seite von Roger Moore spielte.

Aus Octopussy wurde eine geheimnisvolle Schmugglerin, und man flocht neben der titelgebenden Fleming-Kurzgeschichte auch The Property of a Lady in die Handlung ein, eine Geschichte, die Fleming für das Sotheby's-Journal The Ivory Hammer schrieb. Mit einem Ei des russischen Juweliers Peter Carl Fabergé floß ein typisches Fleming-Element ein, der gern kostbare Schätze wie Gold, Diamanten oder Kunstwerke ins Spiel brachte. In der Kurzgeschichte war der "Besitz einer Dame" allerdings ein Smaragd-Globus von Fabergé.

Der Hauptplot um eine Atombombe, die auf einem westdeutschen Army-Stützpunkt gezündet werden soll, um durch diesen vermeintlichen Unfall die NATO-Staaten zu einer einseitigen Abrüstung in Europa zu zwingen, orientierte sich am hochaktuellen politischen Tagesgeschehen. Infolge des NATO-Doppelbeschlusses von 1979 rüstete man Westeuropa mit modernsten Pershing II und Tomahawk-Marschflugkörpern nach. Der Schriftsteller Frederick Forsyth entwickelte für seinen Roman Das vierte Protokoll, der mit Pierce Brosnan verfilmt wurde, ein sehr ähnliches Szenario.

Nach dem Tod von Leonid Breschnew ein Jahr vor dem Film - der den Auftritt des Breschnew-Doppelgängers im Film übrigens anachronistisch wirken lässt - hätte sich die Lage entschärfen können, doch das Gegenteil war der Fall. In einer berühmten Rede im März 1983 bezeichnete Reagan die Sowjetunion als "Reich des Bösen". Die Anti-Atom-Demonstrationen erreichten in der BRD und in Großbritannien ihren Höhepunkt. Ein verrückter Sowjet-General erschien da als Gegner wesentlich zeitgemäßer als der neutrale Blofeld. (Siehe dazu z.B. Machtkampf in Moskau im Spiegel von 1982)

Sogar die Verbindung eines Zirkus mit Schmuggel hatte einen erstaunlich realen Hintergrund. Breschnews Tochter Galina nutzte den Moskauer Staatszirkus inkognito für Reisen ins Ausland und war in illegale Juwelengeschäfte verwickelt (siehe Spiegel von 1988: Die Brillanten der Madame Galina Breschnewa). Die Drehbuchautoren ahnten davon jedoch nichts, sie kamen mit ihrer Phantasie zufällig der Realität nahe, wie so oft.

Verschiedene Ideen aus früheren Drehbuch-Fassungen wurden in OCTOPUSSY verwirklicht. Die messerwerfenden Zwillinge und die Flucht mit dem BD-5 Minijet stammten noch aus frühen Fassungen zu MOONRAKER. (Ich frage mich immer, wie die Produzenten diese Mehrfachverwertungen rechtlich mit den Autoren abklärten...) Das Backgammon-Spiel sollte eigentlich im Kairoer Casino in THE SPY WHO LOVED ME stattfinden, mit dem Mikrofilm als Einsatz. Und die Elefantenjagd auf Bond ist schließlich ein Element, das Produzent Harry Saltzman eigentlich in THE MAN WITH THE GOLDEN GUN einbauen wollte und dafür schon kiloweise "Elefantenschuhe" bestellt hatte.

Die Rudyard-Kipling-Atmosphäre der Indienszenen geht auf das Konto von Schriftsteller und Drehbuchautor George MacDonald Fraser, dessen berühmte 12-bändige Flashman Papers sich um einen britischen Offizier im Dienst des Empires drehen. MacDonald Fraser beschwor mit seinem Drehbuch des Geist des Indiens der Jahrhundertwende unter britischer Kolonialherrschaft, und brachte phantastische Einfälle wie das tödliche Säge-Jojo ein.

Die Jagd auf Bond ist zudem eine Hommage an eine Kurzgeschichte von Richard Connell, The Most Dangerous Game, die 1932 unter gleichem Titel verfilmt wurde. Der Film entstand parallel zu KING KONG und nutzte dieselben Kulissen. (Mit Bond im Affenkostüm schließt sich der Kreis wieder) Leider machte Glen aus dem düster-bedrohlichen Potential dieser Idee eine Gag-Nummernrevue, deren grobe Albernheit eher an Vaudeville oder den frühen Film erinnert. Für eine kurze Szene, in der sich Bond an Lianen durch den Urwald schwingt, verwendete man den berühmten Tarzanschrei von Schwimmer und Jodler Johnny Weissmüller aus TARZAN THE APE MAN, ebenfalls von 1932, der durch die Fusion mit MGM aus deren Archiven verfügbar war.

Die in der DDR spielenden Szenen stellen im Film keinen allzu großen Bruch mit dem Indienteil dar, vor allem durch die Szenen im Zug, die durch zum Teil hölzerne Wagons und Dampfloks ebenfalls im positiven Sinn altmodisch wirken. In der DDR waren bis Ende der 1980er Jahre tatsächlich Dampfloks im regulären Einsatz, und ich kann mich erinnern, als Kind ebenfalls mit solchen Zügen gefahren zu sein.

Der War Room der Sowjets ist eine klare Hommage an Ken Adams berühmtes Set in DR STRANGELOVE. Auch Orlov-Darsteller Steven Berkoff orientierte sich für seine Rolle an George C. Scotts General „Buck“ Turgidson.

Einen großen Einfluß bemerkt man bei OCTOPUSSY, wie auch bei den anderen Glen-Filmen, durch die Filme Alfred Hitchcocks, vor allem dessen britischen Filmen. In vielen der frühen Hitchcockthriller gibt es Actionszenen in, an oder auf Dampfzügen, wie beispielsweise in THE LADY VANISHES, THE 39 STEPS oder SECRET AGENT. Die Zirkusszenen im Zug erinnern teils sehr an THE LADY VANISHES, wo ebenfalls Zirkusutensilien in einem Zug eingesetzt werden. In SABOTEUR gibt es zudem eine auch längere Sequenz, in der Zirkusleute die Protagonisten vor der Polizei in ihren Waggons verstecken.


Ein typisches Hitchcock-Element ist zudem der McGuffin in der Hand eines sterbenden Agenten, wie das Fabergé-Ei, das 009 aus der Hand rollt. In SECRET AGENT ist es ein Knopf in der Hand eines Toten, der in einer Kirche gefunden wird. In THE 39 STEPS findet der Hauptdarsteller eine markierte Landkarte in der Hand einer toten Agentin, der wie 009 noch das Messer im Rücken steckt. Auch in den beiden Verfilmungen von THE MAN WHO KNEW TOO MUCH sowie NORTH BY NORTHWEST gibt es diese Szene.

Die tickende Bombe, bei der der Zuschauer im Gegensatz zu den Protagonisten den Countdown sehen kann, ist ein perfektes Beispiel für Suspense. Und schließlich liebte Hitchcock Showdowns in schwindelerregender Höhe, was John Glen bei all seinen Bondfilmen außer LICENCE TO KILL nachahmte. (Bei A VIEW TO A KILL ist es sogar ein Showdown auf einer Touristenattraktion, ähnlich der Freiheitsstatue in SABOTEUR oder Mount Rushmore in NORTH BY NORTHWEST.)

Natürlich erreicht OCTOPUSSY nicht die geniale Leichtigkeit in der Verbindung von bedrohlichen Verschwörungen, haarsträubend-absurden Situationen und augenzwinkerndem Humor, die die frühen Hitchcock-Filme auszeichnet. Doch der abenteuerliche Story-Mix war auf jeden Fall gewagter und mutiger als das Konzept von NEVER SAY NEVER AGAIN, und wurde vom Publikum auch mehr belohnt. Und der Film wurde wiederum selbst zitiert, vor allem in Steven Spielbergs INDIANA-JONES-Reihe, wie einige der Indienszenen im zweiten, ein Zirkuszug im dritten und sogar die berühmt-berüchtigte Tarzan-Action im vierten.