Montag, 24. August 2015

SPECTRE-Special: Drehort Obertilliach

Mitte Januar 2015 zog die SPECTRE-Produktionscrew in das Dorf Obertilliach im Ost-Tiroler Lesachtal ein, in dem noch Österreichs einziger Nachtwächter regelmäßig seine Runden dreht. Zwei Wochen lang war es aus mit der Idylle: Flugzeuge stürzten brennend vom Himmel, Häuser explodierten und Männer in schwarz schossen und rannten durch die Gassen. Und schließlich erschien er höchstselbst: Bond, James Bond. Damit dürfte die 700-Seelen-Gemeinde zu einem der vielen Wallfahrtsorte für Bondfans werden.


Aber so sehr der Filmtross den Ort auch auf den Kopf stellte, so spurlos ist er auch wieder verschwunden - wie das titelgebende Gespenst. Selbst das "Bond-Haus", das die Obertilliacher gern als Sehenswürdigkeit erhalten wollten, wurde vertragsgemäß restlos entfernt.

Im Film SPECTRE liegt der Ort im Tal vor dem Gaislachkogel, auf dessen Spitze das Restaurant IceQ in eine Klinik verwandelt wurde. Obertilliach wurde damit sozusagen zu einem Vorort von Sölden - das eigentlich mehr als 200 Kilometer entfernt ist. Somit sieht man im Film auch eine Seilbahngondel, die mit Ben Wishaw und Detlef Bothe vom IceQ startet, in der Station in Obertilliach ankommen. (Siehe hier bei 1:30.)




Zwischen Q (Ben Wishaw) und dem Mann in der Gondel (Detef Bothe, bei dem die Verbindungen zu Spectre bisher noch offen sind), gibt es dann noch ein paar spannende Szenen im Ortskern von Obertilliach.




Ehemaliges Gasthaus gegenüber der Kirche

Blick auf die Pfarrkirche St. Ulrich
Kirche St. Ulrich mit dem angrenzenden Friedhof




Q-Darsteller Ben Wishaw vor der Kirche (Foto: Christian Willim)

Neben der Seilbahnstation und dem Ortskern wurde vor allem am oberen Ortsrand gedreht, wo auf einer Wiese mehrere Gebäude aufgebaut wurden. Darunter eine größere Scheune, das in den Medien als sogenanntes "Bondhaus" bekannt wurde.

Hinter dem Zaun stand bis zu seiner Explosion das "Bondhaus" (Bild rechts aus kleinezeitung.at)


Der im Trailer zu sehende Streit zwischen Bond und Madeleine Swann wurde auf dieser Wiese gedreht

Blick talwärts




Scheune gegenüber dem Standort des Bondhauses, dessen Rückseite ähnlich aussah

Bild von MI6-HQ.com
Rings um das Holzhaus wurden auch kleinere Schuppen und Gebäude errichtet, die im Trailer zu sehen sind. Die weiß geputzten Fassaden der Häuser gegenüber wurden extra mit Holz verkleidet, um sie traditioneller aussehen zu lassen.

Bond nutzt eine nahegelegene Schneise hinter den Häusern, um das Flugzeug runterzubringen, das durch Bäume bereits die Flügel und das Fahrwerk verloren hat. (Ein kleiner Verweis an THE LIVING DAYLIGHTS, wo Bonds Aston eine Kufe an einem Baum verliert?)

Foto © APA/EXPA/JOHANN GRODER
Dann crasht er durch die Scheune, bringt das Flugzeug zum stehen und bekämpft sofort Hinx und die anderen, die Dr. Swann aus der Klinik entführten. Auch diese Actionszenen entstanden auf der Wiese mit den aufgebauten Kulissen.

Da Daniel Craig und Léa Seudoux nur drei Tage im Ort waren, musste das Loch bereits vor dem Stunt im Haus sein. Für den anschließend gefilmten Crash des Flugzeuges musste die Fassade dann wieder geflickt werden.


Hier wurden neben den aufgebauten Häusern die Schießerei realisiert


Hier ein kurzes Video über die Dreharbeiten der Kleinen Zeitung:




Weitere Szenen entstanden weit oberhalb des Nachbarortes Kartitsch.



Copyright SPECTRE Logo: EON Productions LTD., Danjaq, MGM, Sony Pictures

Sonntag, 9. August 2015

Der letzte Gentleman-Agent

A View To A Kill 30th Anniversary LogoVor 30 Jahren startete A VIEW TO A KILL unter dem deutschen Titel Im Angesicht des Todes in den bundesdeutschen Kinos. Die Reaktionen der Presse, die den Roger-Moore-Filmen eh nicht besonders wohlgesonnen war, fielen eher verhalten aus. Zu routiniert wirkte die Inszenierung, zu offensichtlich die Stunt-Doubles, zu albern die Gags. Auch heute noch hat der Bond-Schwanengesang von Sir Roger Moore einen schweren Stand bei vielen Fans. Doch es gibt durchaus auch viel Positives an Im Angesicht des Todes.



Positive oder gar begeisterte Kritiken finden sich für Im Angesicht des Todes kaum. Hier nur mal eine kurze Übersicht der US-Pressestimmen (zitiert aus der Cinema von August 1985):

Variety: Nach einem vielversprechenden Auftakt mit einer atemberaubenden Verfolgungsjagd versinkt der Film zusehends in Langeweile.

The Hollywood Reporter: Bei der 14. Exhumierung des James Bond ist den Machern die kreative Puste ausgegangen. Der Plot scheint nur mit Spucke zusammengeklebt zu sein, und Roger Moore spielt unendlich blasiert.

Los Angeles Times: Die zur Schauspielerin mutierte Sängerin Grace Jones schlägt voll ein - besonders beim Sprung vom Eiffelturm.

Los Angeles Herold: Angesichts der inzwischen ohnehin auf ein Minimum reduzierten Erwartungen der Bond-Fangemeinde bietet Im Angesicht des Todes zumindest die Möglichkeit, halbwegs angenehm die Zeit totzuschlagen.

L.A. Weekly: Der schlechteste James-Bond-Film aller Zeiten, was an sich schon eine beachtliche Leistung ist.
Cinema: Im Angesicht des Todes, Cover 1985
Der August 1985 stand im Zeichen
von Otto, Madonna, Freddie Krüger und -
natürlich zum 7. und letzten mal Roger
Moore als James Bond 007

Hierzulande sah es wenig besser aus. Die Zeit meinte: Denn der einst so witzige James Bond verkommt zusehends zur tragikomischen Figur: Das Publikum wird immer jünger (und der Regisseur John Glen kupfert kräftig ab beim Kinderkino Hollywoods, von „Indiana Jones“ bis zu „Superman“), der Held aber nähert sich dem Rentenalter. Vier Storys von Ian Fleming, so droht der Produzent Albert Broccoli, sind noch nicht verfilmt worden. Die muß James Bond wohl noch durchstehen. Dann aber, so hoffen wir, darf er endlich die treue Miß Moneypenny, die mit ihm zusammen gealtert ist, heiraten und sich zurückziehen in den wohlverdienten Ruhestand.

Und Hellmuth Karasek schrieb im SpiegelWas einst mit Witz gegen den damaligen Muff anging, ist inzwischen selbst total vermufft. Und: Inzwischen wirbt Bond nur noch für sich selbst, parodiert Bond nur noch Bond. Und so bleibt, trotz der immer pyromanischer werdenden Destruktionsorgien, von Bond nur noch der Kinderkram übrig: vom Geheimagenten 007 Ihrer Majestät zum "Kasperle ist wieder da". Bond, der die Nostalgie auf Bond weckt. Bestenfalls. (Karasek, der Patrick Macnee als lebende Anti-Eisbein-Reklame beschreibt, schrieb zehn Jahre später im Spiegel zu GOLDENEYE, dass aus Bond nun ein Comic-Held geworden sei und er trotz aller Anstrengungen aus der Zeit gefallen sei. Manche Kritiker nehmen ihre Berufsbezeichnung eben offenbar wörtlich.)


Wie in der Zeit wurde auch in der Cinema kritisiert, dass zahlreiche Szenen entweder an frühere Bondfilme oder an andere erfolgreiche Kinofilme erinnern. Die Jagd im zerteilten Auto erinnerte beispielsweise sehr an LE CERVEAU (Das Superhirn). Action in einem Bergwerksstollen gab es ein Jahr zuvor im zweiten INDIANA-JONES-Abenteuer. Vieles erinnert zudem an die ersten beiden SUPERMAN-Filme. Der Plan eines künstlichen Erdbebens am San-Andreas-Graben beispielsweise ebenso wie Action am Eiffelturm aus der Fortsetzung. (Man könnte eine klaustrophobische Fahrstuhlkletterei auch in ABWÄRTS finden, oder die bedrohliche Präsenz eines Luftschiffs in BLACK SUNDAY mit Robert Shaw von 1977. Wobei sich derartige Parallelen sicher auch bei den meisten anderen Bondfilmen finden lassen. Schon FROM RUSSIA WITH LOVE bediente sich stark bei der berühmten Flugzeugattacke aus Hitchcocks NORTH BY NORTH-WEST.)

Die Anleihen an frühere Bondfilme kann man dagegen auch als Verbeugungen an eine zu Ende gehende Ära im großem Abschiedsfilm sehen. Es gibt noch einmal einen tollpatschigen Sheriff und crashende Polizeiautos wie in Moores Bonddebüt LIVE AND LET DIE, die Rücken-an-Rücken-Duell-Pose auf dem Plakat erinnert an den Showdown von THE MAN WITH THE GOLDEN GUN, von Willy Bogner genial kreierte Jagden im Schnee, der Union Jack oder ein Stelldichein mit einer KGB-Spionin feiern THE SPY WHO LOVED ME (im ursprünglichen Script war Pola Ivanova auch tatsächlich Major Amasova), ein mondänes französisches Schloss als Schurkenresidenz und im Finale überlaufende Kraftprotze erinnern an MOONRAKER.

Der Film beschränkt sich auch nicht darauf, den zugegebenermaßen in die Jahre gekommenen Roger Moore möglichst dynamisch in Szene zu setzen und damit einen Anachronismus zwanghaft am Leben zu erhalten. Der Zahn der Zeit wird im Film auch selbst thematisiert, wenn auch nicht so offensichtlich wie in späteren Bondfilmen. Mit Roger Moore und Patrick Macnee sieht man zwei Gentleman-Agenten der alten Schule in einer neuen, gieriger und amoralischer gewordenen Welt. Mit den jungen und überdurchschnittlichen fitten Gegenspielern Zorin und May Day wird ihnen der Körperkult der Achtziger Jahre gegenüber gestellt, deren Stars Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone wurden. (mit Dolph Lundgren gibt es sogar einen Vertreter dieses Muskelkinos im Film) Wenn die muskulöse May Day James Bond und John Steed in einem Rolls Royce in einem See entsorgt, ist das ein schönes Bild für den Clash dieser beiden Welten.

Letztendlich verbündet sich Bond mit May Day angesichts von Zorins Verrat an ihr, und zeigt damit, dass der Gentleman in ihm doch stärker ist als der Killer. Timothy Daltons Bond hätte May Day den Mord an Tibbett vielleicht nicht verzeihen können und sich dann allein an die Entschärfung der Bombe machen müssen. Roger Moore hatte während der Dreharbeiten sowohl mit dem Auftreten von Grace Jones als auch der gezeigten Brutalität im Finale seine Probleme, was meiner Meinung nach dem Subtext - gealterter Gentleman gegen junge und skrupellose Schurken - insgeheim zu Gute kommt.

Natürlich stellt sich in A VIEW TO A KILL auch eine gewisse handwerkliche Routine ein, und damit auch einige Ärgernisse - wie etwa die oft zu erkennenden Stuntmen. Hier hätte John Glen - seines Zeichens immerhin Cutter von ON HER MAJESTY'S SECRET SERVICE - mehr Sorgfalt an den Tag legen müssen. Andererseits hat der Film meiner Auffassung nach auch großartige Beispiele für eine gelungene und bondige Bildkomposition. Inspiriert von der Golden-Gate-Bridge spielt dabei oft die Farbe Rot eine Rolle und signalisisiert Gefahr. Beispielsweise ist der russische Helikopter zu Beginn leuchtend rot, oder auch May Days Kostüm bei ihrer Einführung während des Pferderennens oder der Wagen der Killergirls an der Tankstelle.

Mehr sehr interessante und mit Liebe zum Detail herausgearbeitete, positive Aspekte des Films findet man - wenn man will - in dem Buch James Bond in our Sights, das ich hier bereits ausführlicher besprochen hatte.