Am 31. August jährt sich der bundesdeutsche Kino-Start von MOONRAKER zum 35. Mal. Obwohl ich diese Premiere aufgrund des Eisernen Vorhangs leider nicht wahrnehmen konnte und den Film erst Jahre später im Fernsehen sah, möchte ich aus diesem Anlass näher auf die Drehorte und die dramaturgische Hintergründe der Gondel-Jagd im 11. Bondfilm eingehen, die insgesamt drei venezianische Stadtteile umspannt.
Voller Spieltrieb voraus!
Die ersten Drehbuchentwürfe für MOONRAKER strotzten derart vor Ideen, dass auch noch die drei darauffolgenden Abenteuer mit Stunts und Einfällen daraus versorgt wurden. Ein früher Entwurf sah bereits eine Sequenz vor, in der Bond und Girl mit einem Boot über Korallenriffe gezogen werden. Bond sollte außerdem mit einem Mini-Jet von Draxens Anwesen fliehen, was die Vortitelsequenz für OCTOPUSSY lieferte. Und schließlich gab es hier auch schon die Eiffelturmszene samt Fallschirmsprung, die in A VIEW TO A KILL einfloss. Im fertigen Film wird der Eiffelturm nur erwähnt.
Fondamenta Misericordia |
Palazzo da Lezze |
Blick in den Rio di Noale |
Tod in Venedig
Kurz darauf sieht man Bond den Rio dei Tolentini entlangfahren, in Richtung der Kirche Chiesa Dei Carmini. Diese befindet sich im südwestlichen Stadtteil Dorsoduro. (Siehe Street View.) Hier kommt ihm das Beerdigungsboot entgegen. Die Brücke, an der der Sarg verlustig geht, ist dieselbe, auf der der ältere rauchende Signore dann den Sarg schwimmen sieht - die Ponte Foscatini. Sie ist später im Verlauf der Jagd noch mehrmals zu sehen, ebenso wie die Ponte del Forno (Ofenbrücke), unter der das Sargboot erscheint.
Die Szene mit dem Sarg, der Bond entgegen kommt, und aus dem sich vampir-artig ein blasser Messerwerfer erhebt, ist eine kleine Veräppelung des morbiden filmischen Erbes von Venedig, das in den Siebzigern einige Klassiker hervorbrachte. 1971 verfilmte Luchino Visconti die berühmte Novelle Der Tod in Venedig von Thomas Mann mit Dirk Bogarde in der Hauptrolle. Fleming war ein großer Bewunderer von Mann, und siedelte seine Kurzgeschichte Risico am selben Strand am Lido an.
Ponte del Forno |
Ponte Foscatini |
Bonds Gondoliere versinkt in Front von Haus Nummer 3454.
Nachdem Bond den Angreifer mit seinem eigenen Messer zurück in seinen Sarg geschickt hat, taucht ein Motorboot auf, und Bond wird mit einem effektiveren Maschinengewehr gejagt. Hier wartet die Verfolgung mit der ersten "Überraschung" auf, denn Bond hat die Gondel offenbar gar nicht zufällig ausgewählt, sondern sie ist eine Bondola, ausgestattet mit allerlei Q-nststücken.
Die anschließende Jagd führt noch mehrmals an den drei bereits gesehen Brücken nahe der Chiesa Dei Carmini vorbei. Schade eigentlich, eine Verfolgung entlang des Canal Grande und unter der Rialtobrücke hindurch hätte ihren Reiz gehabt. (Wie sie Jahre später in Herr der Diebe realisiert wurde.)
Venedig insgesamt erwies sich als ein Albtraum für die Bondmacher. Als man zuerst nach entsprechenden Locations Ausschau hielt, regnete es und der Markusplatz stand unter Wasser. Für die Dreharbeiten besserte sich das Wetter, doch mit der Sonne kamen auch die üblichen Massen von Touristen.
Die Szene mit dem Sarg musste unterbrochen werden, da an dem Tag zufällig ein echter Trauerzug durch die Stadt gondelte. Und nicht zuletzt versank ein komplettes Boot mit Filmrequisiten auf Nimmerwiedersehen im Kanal. Insgesamt kosteten die eineinhalb-wöchigen Dreharbeiten in der Lagunenstadt über eine Million Dollar - So viel wie der erste Bondstreifen DOCTOR NO!
Der Bau der Bondola gestaltete sich als ähnlich schwierig wie ihre Steuerung. Ausgestattet war die mit einem 120 PS-Motor und konnte fast 100 km/h schnell fahren. In der Praxis fuhr sie allerdings maximal 25 km/h und tauchte dabei oft eine "futtersuchende Ente" (Christopher Wood) in Richtung Kanalgrund ab.
Gebaut wurde die Bondola von einer der ältesten Gondelwerften in Venedig, der Squero di San Trovaso in Dorsodura, an der die Jagd dann auch vorbei führt.
Die Werft im Film |
Und schließlich endet der ganze Spaß mit einer der berüchtigsten und albernsten Szenen der Bondgeschichte: Die Bondola verwandelt sich - surprise! - in ein Luftkissenfahrzeug. War der Transformation von Bonds Lotus in ein U-Boot im Vorgängerfilm noch faszinierend und bondig im besten Sinne, ist hier der umgekehrte Weg vom Wasser an Land eigentlich so lächerlich, dass er sich gleich selbst veralbert. Ein Geheimagent fährt in einer Luftkissen-Gondel über den meist-fotografierten Platz der ganzen Welt... Dagegen wirkt Bonds Zusammenschießen einer Botschaft in CASINO ROYALE geradezu diskret.
Ken Adams Bondola-Design an sich ist - wie die Raumstation am Ende - wissenschaftlich gesehen so nicht funktionsfähig, denn Luftkissenfahrzeuge benötigen einen Rückstoß-Antrieb, meistens in Form eines Propellers. Von dem Aufstieg der Gondel die Stufen hinauf zum Platz mal ganz zu schweigen. (Aber als Zwölfjähriger habe ich es trotzdem geliebt!)
Auch Drehbuchautor Christopher Wood war mit dieser Szene alles andere als zufrieden. Im Drehbuch ließ er Bond mit der Gondel in ein Bootshaus fahren. Dort wartet bereits ein Jet-Pack auf ihn, mit dem er sich - THUNDERBALL lässt grüßen - in die Luft erhebt. Die Jagd geht dann in der Luft zwischen Raketenrucksack und einem Hubschrauber weiter. Der Hubschrauber knallt schließlich in eine Brücke und explodiert. Bond landet in einem Restaurant und entschuldigt sich, dass er nicht reserviert hat.
Diese Sequenz war allerdings selbst für das Budget von MOONRAKER, das eh schon doppelt so hoch wie das des Vorgängers war, zu viel des Guten. Umgesetzt wurde eine ähnliche Idee im 2005er Computerspiel From Russia With Love.
In seinem Roman zum Film ließ Wood die Verfolgungsjagd ebenfalls anders enden: Bond gerät in eine Sackgasse und hält die Gondel kurz vor einer Hauswand. Er zielt beidhändig mit seiner Walther PPK auf das Verfolgerboot und trifft den Fahrer. Dann hechtet er an einer Metalleiter aus dem Kanal, kurz bevor die Verfolger gegen die Wand knallen und das Boot in einem Feuerball explodiert.
Eine ähnliche Szene - Bond zielt auf ein Verfolgerfahrzeug und tötet den Fahrer - gibt es im nachfolgenden Film FOR YOUR EYES ONLY, hier mit Autos. In MOONRAKER benutzt Bond kein einziges Mal eine klassische Handfeuerwaffe, obwohl es ein Publicity-Foto gibt, das an das Roman-Ende der Bootsjagd erinnert.
Für Roger Moore waren die Hovercraft-Szenen alles andere als amüsant. Beim Landgang der Bondola wurde er zum Vergnügen der Touristen zig-mal ins Wasser geworfen, bis die Szene mit seinem letzten noch trockenen Anzug endlich funktionierte. Auch die Fahrt über den Markusplatz war weniger cool, als sie im Film wirkt. Roger Moore hatte keine Kontrolle über das Gefährt. Man hatte ihm lediglich eine Hupe gegeben, mit der er im Weg stehende Touristen verscheuchen sollte.
Wie Sean Connery einmal sagte, sollte ein guter Bonddarsteller schwierige Dinge leicht aussehen lassen können. Angesichts der teils zermürbenden und auch gefährlichen Dreharbeiten der Gondeljagd sollte man Roger Moores Darstellung hier einmal mehr nicht unterschätzen.
Auch an dieser Stelle möchte ich das Buch On the Tracks of 007 empfehlen, ohne das Beiträge wie dieser wesentlich schwieriger wären.