USA 2012
Regie: Rupert Sanders
Darsteller: Charlize Theron, Kristen Stewart, Chris Hemsworth, Bob Hoskins
In schöner Regelmäßigkeit haben in der Filmwelt zwei oder mehrere Kreative fast zur selben Zeit fast dieselbe Idee. So kommt es dann, dass zwei oder mehr Filme zum gleichen Thema miteinander konkurrieren müssen (z.B. 1492 - Conquest of Paradise und Christopher Columbus, Red Planet und Mission to Mars, Dante´s Peak und Vulcano, Tombstone und Wyatt Earp, The Illusionist und The Prestige, Armageddon und Deep Impact - während der Produktionsphase von letzteren hatte auch Roland Emmerich zufällig die Idee von Astronauten, die einen Meteoriten zerstören müssen...)
Dieses Jahr ist Schneewittchen-Zeit: Neben Snow White startete auch Tarsem Singhs Spieglein, Spieglein mit Julia Roberts als nur noch zweitklassige Pretty Woman, mal abgesehen vom Low-Budget-Trittbrettfahrer Grimm´s Snow White. Über die Auslöser solcher Ideen-Kumulationen könnte man wohl eine eigene filmwissenschaftliche Abhandlung schreiben. Das originale Märchen wurde bisher schon vielfach interpretiert, von süßer Zwergenromantik à la Disney über Comedian-Vehikel wie 7 Zwerge. Der ernsthaft-düstere Ansatz von Snow White and the Huntsman mit Anleihen bei Vampir- und anderen Mythen ist mal etwas erfrischend anderes. Die Grundthematik des Märchens - wahre Schönheit, Jugendwahn, Vergänglichkeit - ist in Zeiten von Botox, Facelifting und Stammzellentherapie wohl auch aktueller denn je.
Snow White ist das Spielfilm-Debüt des Werbefilmers Rupert Sanders. (Im Vergleich zur deutschen Filmlandschaft ist es schon erstaunlich, welche Chancen jungen Regisseuren in Hollywood geboten werden.) Der Film bietet auf jeden Fall kurzweilige Unterhaltung und solide Schauwerte. Vor allem die Kreaturen des dunklen Waldes sind sehr einfallsreich und handwerklich überzeugend umgesetzt. Hier fühlt man sich zum Teil an Herr der Ringe und Avatar erinnert. Auch die typischen Märchenklischees werden geschickt umschifft. Die sonst so knuffigen Zwerge sind hier beispielsweise rauhe und fluchende Kerle. Schön auch, Bob Hoskins mal wieder zu sehen, hier in der Rolle des Oberzwergs.
Heimliche Hauptdarstellerin ist die Oscar-Preisträgerin Charlize Theron als Königin Ravenna, die hier auch ohne entstellendes Make-up als Monster überzeugt. Kristen Stewart variiert mehr oder weniger nur einen Gesichtsausdruck, und macht als Charakter leider auch keine größere Entwicklung durch. Sie ist bereits am Anfang tough und kann allein aus ihrem Verließ entkommen, und am Ende ist sie noch tougher und führt in Jeanne-d´Arc-Manier den Angriff auf das Schloss der bösen Königin an. Dass moderne Märchenverfilmungen die weiblichen Charaktere aktiver und offensiver anlegen, ist an sich gut und notwendig, aber mittlerweile nimmt es auch seltsame Züge an, wenn die männlichen im Gegenzug zu Schwächlingen degradiert werden.
Etwas befremdlich mutet auch an, dass im Film die Protoganisten analog zum unübersetzten Filmtitel mit "Snow White" und "Huntsman" angesprochen werden, anstelle dem wohl etwas uncoolen Schneewittchen und Jäger - uncool in ersterem Falle wahrscheinlich vor allem durch den verniedlichenden Diminutiv. Etwas peinlich ist diese Entscheidung des deutschen Verleihers/Synchronstudios aber vor allem, wenn man an die Verdienste von Jakob und Wilhelm Grimm um die deutsche Sprache denkt.
Abgesehen von diesen beiden Kritikpunkten, die dem breiten Publikum sicher nicht negativ auffallen werden, bietet der Film spannende und handwerklich gut umgesetzte Unterhaltung sowie eine schön böse Charlize Theron, und ist insofern durchaus sehenswert.