CINEMA von 1983 |
Als ich vor dreißig Jahren Bondfan wurde und alle Filme nacheinander im Fernsehen oder auf VHS sichtete, war diese Frage für mich ziemlich klar: Sag niemals nie ist dem 1983er EON-Beitrag hoffnungslos überlegen. Was mich damals zu diesem Empfinden gebracht hat, und warum sich die Präferenzen innerhalb von drei Jahrzehnten Beschäftigung mit Bond ungleich in Richtung Octopussy verschoben haben, darüber möchte ich hier ein bisschen plaudern.
Mein erster Eindruck von Sag niemals nie bei einer Pro7-Ausstrahlung im September 1993 war der eines in fast jeder Hinsicht modern wirkenden - ja, seiner Zeit voraus seienden Films, der den Vergleich mit Filmen der frühen 1990er nicht unbedingt scheuen musste. (Es ist ja beispielsweise schon auffällig, dass etwa Cameron in seiner Bond-Hommage TRUE LIES Schwarzenegger wie Connery Tango tanzen lässt, und auch GOLDENEYE einige deutliche Anleihen hat.) Von den EON-Filmen der 1980er konnte ich das eigentlich nur von Der Hauch des Todes (1987) wirklich sagen. Die letzten beiden Roger-Moore-Bonds wirkten auf mich damals etwas bemüht und irgendwie ziemlich angestaubt und altmodisch.
Zu diesem Eindruck von Hochwertigkeit und Modernität trug auch die Besetzung von Sag niemals nie mit Klaus Maria Brandauer, Kim Basinger oder Max von Sydow bei. Vor allem mit Basinger bewies das Casting ein besonders glückliches Händchen, denn nicht nur machte sie im Gegensatz zu vielen US-stämmigen Bondgirls und Ex-Models, die in der EON-Reihe mitgewirkt hatten, einen bleibenden Eindruck, sondern konnte ebenfalls im Gegensatz zum gängigen Klischee eine beeindruckende Karriere auf ihrer Bondrolle aufbauen - die ihr im Gegensatz zu ihrem renommierteren Mitstreiter Brandauer schließlich sogar einen Academy Award einbrachte. 1989 hatte Basinger mit ihrer Rolle in BATMAN in dem Blockbuster der letzten Jahre mitgewirkt und war Anfang der 90er ziemlich angesagt.
Die Entführung der Cruise Missiles im Flug oder das Domination-Spiel wirkte auf mich von der Idee und den Effekten her wesentlich mehr auf der Höhe der Zeit als viele entsprechende Dinge in Octopussy. Ebenso wie Dialoge und Gags - beides ist grandios in diesem Film und vielen, auch späteren EON-Werken teilweise weit überlegen. Dieser Meinung bin ich auch heute noch. Bond als Tarzan oder Gorilla gegen Bond, der sein Zigarettenetui als Minibombe verkauft - das ist wie Fiat Panda gegen Ferrari.
Und nicht zuletzt wirkt auch diese übertriebene maskuline Attraktivität von Bond, die die Filme traditionell postulieren, in Sag niemals nie doch wesentlich überzeugender als in den beiden finalen Moore-Filmen. In diesen Aspekten gelang es der Konkurrenz-Produktion tatsächlich, den Geist der 60er-Bonds in die 80er zu holen. Wahrscheinlich drehten sich all die begeisterten Kritiken in der zeitgenössischen Presse (die alle wie schon vor Filmsichtung festgelegt wirkten) auch fast ausschließlich darum.
Sag niemals nie war in meinen Top 5, während sich Octopussy eher am unteren Ende der Liste ansiedelte. Heute ist Octopussy zwar nur moderat ins obere Mittelfeld und knapp unter den Top 10 aufgestiegen, während Sag niemals nie so ziemlich nach unten durchgerutscht ist. Grund dafür sind einige Mängel der zweiten John-Glen-Regie, die ich nach wie vor störend finde, während ich allerdings die Stärken des Films heute deutlich höher bewerte als die von Sag niemals nie. Vielleicht liegt es auch daran, dass mir heute die vielen kleinen Rituale und "Macken", die die klassische EON-Phase von 1962 bis 1989 ausmachten, wesentlich mehr bedeuten als damals. Damals war ich als Fan eher progressiv und darauf bedacht, wie man die Reihe zeitgemäßer machen könnte, während ich heute - vor allem nach all der Destruktivität der Craigfilme - deutlich konservativer eingestellt bin.
Dazu kommt auch, dass ich bei Sag niemals nie heute deutliche handwerkliche Mängel sehe, die mir damals nicht so sehr aufgefallen sind. Da wäre dieser Achtziger-Jahre-Weichzeichner in vielen Szenen, der auf mich heute angestaubter wirkt als beispielsweise die Rückprojektionen in Octopussy. Ganz allgemein wirkt Sag niemals nie optisch wie eine durchschnittliche US-Produktion dieser Zeit. Speziell britischer Flair - Fehlanzeige. Dann ein für einen Bondfilm teilweise doch recht gewöhnlich wirkendes Produktionsdesign - ich denke da etwa an grafitti-verzierte Spielautomaten im Casino. Die Action ist bis auf die Motorradjagd auch eher Durchschnitt. Gerade wenn man die Eingangssequenzen vergleicht, besticht Octopussy in dem Punkt doch ungleich mehr. Sag niemals nie sackt im dritten Akt deutlich ab, während Octopussy gerade da sein volles Potential entfaltet und richtig Fahrt aufnimmt. Und das Gehampel von Mr. Bean finde ich letztlich auch nicht so viel niveauvoller als manche Octopussy-Schenkelklopfer.
Es ist letztlich schwierig, die beiden Konkurrenz-Produktionen objektiv und fair zu vergleichen, da Sag niemals nie gerade im Drehbuch-Bereich deutlichen juristischen Grenzen unterworfen war. (Wobei andererseits auch niemand McClory und Connery dazu gezwungen hat, einen Bondfilm zu drehen...) Wenn man Sag niemals nie vorwirft, nur ein Remake, beziehungsweise eine Buch-Neuverfilmung zu sein (denn letzteres ist er tatsächlich in vielen Aspekten sehr deutlich), dann muss man zugestehen, dass er a) gar nichts anderes sein durfte, und b) gerade ab Der Spion, der mich liebte auch die EON-Bondfilme einen starken Hang zum Recycling früherer Story-Elemente aufwiesen. Ich denke beispielsweise, dass der Grad von Wiederverwertung bei gleichzeitiger Modernisierung, den etwa Der Morgen stirbt nie im Vergleich zu Der Spion, der mich liebte aufweist, in etwa derselbe ist wie der von Sag niemals nie zu Feuerball. (Und nicht zuletzt waren ja auch Octopussy juristische Grenzen gesetzt, denn man konnte nicht - wie ursprünglich angedacht - Spectre und Blofeld benutzen.)
Was ich an Octopussy aber mittlerweile sehr schätze, ist, dass diese fein gesponnene Konstruktion um geraubte Zarenschätze und Zirkus-Züge etwas sehr Fleming-haftes hat. Fleming war ein Meister darin, den eher grauen und profanen Spionage-Alltag des Kalten Krieges mit opulenten Abenteuer-Elementen und Ausflügen in Gefilde wie Piratenschätze, Casino-Duelle oder der Heraldik auszustatten, mit der reale Agenten wohl eher peripher konfrontiert wurden. Genau das machte die Bondgeschichten zu so viel mehr als Agentenstories. Octopussy erschafft auf Basis zweier Kurzgeschichten eine Handlung, die Fleming gemocht hätte. Und schafft es dabei sogar, dieses abgedrehte Abenteuerflair mit echter Cold-War-Atmosphäre zu verbinden. Bond, der durch den Checkpoint Charlie geschleust wird und im deutsch-deutschen Grenzgebiet agiert - mehr Le Carré gab es in der Reihe vorher nie.
Grundsätzlich mag ich an Octopussy, dass man dem Film überhaupt nicht anmerkt, dass er in Konkurrenz zu einem anderen Bondfilm stand. Er zieht sein Ding konsequent durch, auch mit kontroversen Entscheidungen, wie etwa Bond als Clown verkleidet zu zeigen - auch wenn man sicher wusste, wie die übliche Kritikerhäme ausfallen würde. Während Sag niemals nie in Richtung EON stichelte, etwa wenn Q sagt, dass jetzt endlich auch im sexuellen Bereich wieder mehr läuft, oder wenn Connery einen Apfel auf eine indische Kali-Figur pfropft, hat Octopussy dieses Niveau gar nicht nötig.
Trotz der teils genialen Dialoge und Gags in Sag niemals nie und dem sehenswerten schauspielerischen Duell zwischen Connery und Brandauer ist Octopussy für mich der mutigere und reichhaltigere Film, den ich mittlerweile auch wesentlich öfter und lieber sehe. Obwohl Sag niemals nie in der Presse damals quasi als Guerilla-Produktion verkauft wurde, die mutige Macher gegen den bösen Rechte-Inhaber, der auch noch so dreist war, seine erworbenen Rechte juristisch zu verteidigen, "erkämpfen" mussten, war auch Octopussy angesichts der von Anfang an auf Connery festgelegten und fixierten Kritiker-Front in gewisser Weise ein Underdog.
Wer entscheidet die 'Battle of the Bonds' für euch, und wie hat sich das vielleicht bei euch über die Jahre hinweg verändert?
Beide Filme sind nicht meine Favoriten. Interessanterweise habe ich die genannten Szenen mit Algernon und der Statue nie als Seitenhieb gegenüber der Haupt-Serie verstanden, sondern eher als unterstreichende Kommentare zu Connerys Coolness und Maskulinität wie etwa auch die "Urinprobe: James Bond". Und der Fairness halbe müsste man auch erwähnen, dass die Produzenten der Serie den ulimativen Seitenhieb gegen die Konkurrenz bereits im Vorgänger gesetzt hatten, indem man den namenlosen Katzenstreichler, den man rechtlich nicht mehr verwenden durfte, mal eben im Schornstein der gewünschten "Entwicklungshölle" versenkte. Ansonsten habe beide Filme so ihre Problemchen. Der Connery-Film, weil er zu sehr im Zeitgeist festhängt und tatsächlich handwerkliche Fehler begeht, der Moore-Film, weil Glens fader Stil in Kombination mit Moores Beinahe-Rentnertum das ganze wie ein einschäfernde Altherrenpartie wirken lässt. Kurzum: Beide Filme sind keine Highlights innerhalb der Serie.
AntwortenLöschenIst wohl letztlich immer Ansichtssache, ob man gewisse Szenen als Seitenhiebe versteht oder nicht. Für mich war eigentlich immer glasklar, dass eine mehrarmige indische Kalifigur, die ganz "zufällig" in einer südfranzösischen Villa herumsteht, eigentlich nur eine Anspielung auf das ikonische Octopussy-Plakat sein kann. Aber beweisen kann man es wohl nicht, wenn man nicht gerade eine entsprechende Aussage des Regisseurs hat.
LöschenDas gilt dann allerdings auch für den Blofeld-Versschnitt am Anfang von "In tödlicher Mission" als vermeintlicher Seitenhieb auf die Konkurrenz verstehen. Innerhalb des Films funktioniert das auch als Signal, dass die abgehobenen Zeiten vorbei sind, ähnlich wie der explodierende Lotus. Und es etabliert das Thema Rache, das später durch Melina wieder aufgenommen wird.
Mir gefiel damals NSNA bereits als Kind, als ich ihn das erste Mal im Fernsehen sah und dies hat sich bis heute nicht geändert. Ich bevorzuge ihn gegenüber OP, den ich dennoch zu schätzen weiss.
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