Sonntag, 27. November 2022

Die versteckte Symmetrie der Roger-Moore-Bondfilme

Die Amtszeit von Sir Roger Moore als James Bond 007 ist - obwohl sie oft wenig Liebe von vielen Fans und Kritikern erfährt - die für mich vollständigste und rundeste. Und auch die, die am meisten Spaß macht. Ein interessanter Aspekt von vielen ist dabei eine gewisse Symmetrie in den fünf Filmen. Ausgehend von MOONRAKER als Mittelpunkt kann man erstaunliche Parallelen in den sich zeitlich jeweils gegenüberliegenden Filmen erkennen, auf die ich hier (mit einem kleinen Augenzwinkern) einmal näher eingehen möchte.


Symmetrie der Roger-Moore-Filme

Film Nr. 1 und Film Nr. 7: Bond in den Staaten und in den Charts

Die wohl augenscheinlichste Gemeinsamkeit zwischen Roger Moores Debüt LIVE AND LET DIE (Leben und sterben lassen) und seinem Schwanengesang A VIEW TO A KILL (beides Titel mit Todesbezug) sind die charismatischen und poppigen Titelsongs von Paul McCartney & Wings und Duran Duran. Beide gehören sowohl zu den innovativsten als auch den erfolgreichsten Bondliedern, da sie jeweils sehr hohe Chart-Platzierungen erlangten. Auch die Titel von Maurice Binder ähneln sich brennenden Totenkopfgesichtern bzw. Eisgesichtern in Flammen.

Live and let Die & A View To A Kill

Leben und sterben lassen beginnt dort, wo Im Angesicht des Todes endet: In einer US-Metropole. Einmal New York an der Ostküste, einmal San Francisco an der - Symmetrie lässt grüßen - Westküste. Beide Filme spielen auch zu großen Teilen in den Vereinigten Staaten, wo Bond jeweils Bekanntschaft mit dünnhäutigen Sheriffs macht und jede Menge Blechschäden verursacht. 

In beiden Filmen ist Bonds love interest wesentlich jünger als er, Jane Seymor 24 Jahre und Tanya Roberts 28 Jahre, und er bekommt es mit von einer schwarzen Schauspielerin verkörperten Dame zu tun, die für die Gegenseite arbeitet und mit der er schläft, obwohl er das bereits weiß. Die Gegner waren in beiden Fällen ebenfalls jünger als Roger Moore und wurden mit Yaphet Kotto und Christopher Walken von in New York geborenen US-Amerikanern verkörpert. Und sowohl der erste als auch der letzte Gegner von Moores 007 haben etwas übermenschliches an sich - Mr. Big durch seinen Zugang zu dunklen Mächten, Zorin als Produkt von Menschenversuchen.

In beiden Filmen hat Bond auch etwas privateren Kontakt zu seiner MI-6-"Familie". Zuerst besuchen ihn M und Moneypenny in seiner Wohnung, dann ist Bond zusammen mit M, Q und Moneypenny auf der Rennbahn. Action-technisch ist Bond jeweils hinter dem Steuer eines ungewöhnlichen großen Fahrzeugs zu sehen - Doppeldeckerbus/ Feuerwehrtruck - mit dem er durch Slalombewegungen Verfolger abhängt.


Film Nr. 2 und Film Nr. 6: Asiatische Exotik, schwedische Frauenpower - und Dracula

Bei THE MAN WITH THE GOLDEN GUN (Der Mann mit dem goldenen Colt, 1974) und OCTOPUSSY (1983) (beides auf Charaktere bezogene Titel) ist die größte Gemeinsamkeit die schwedische Schauspielerin Maud Adams, die in beiden Filmen tragende Rollen übernahm. (Und jeweils nackt aus dem Bad kommt, bevor sie auf Bond trifft.) Und auch die zweite weibliche Hauptrolle ist jeweils mit einer blonden Schwedin besetzt, Britt Ekland und Kristina Wayborn (deren erster Vorname eigentlich auch Britt ist).

Der Mann mit dem goldenen Colt & Octopussy

Darüber hinaus haben beide Filme ausgedehnte Locations in Asien - Thailand mit der berühmten James-Bond-Insel und Udaipur in Indien - die als zwei der exotischsten der ganzen Reihe gelten. 

Die beiden Gegenspieler Scaramanga und Kamal Khan haben neben der Vorliebe für den Vokal A eine Gemeinsamkeit, die man sonst bei keinem anderen Schurkendarsteller der Reihe findet: Sowohl Christopher Lee als auch Louis Jordan haben den Grafen Dracula in Verfilmungen von Bram Stokers Horrorklassiker verkörpert und gehören zu den meistgelobten in dieser Rolle. Lee spielte Dracula genauso oft wie Moore Bond - sieben mal von 1958 bis 1973. Louis Jourdan war Graf Dracula in einem gleichnamigen TV-Zweiteiler der BBC von 1977, der als eine der werkgetreusten Umsetzungen gilt.

Beide Gegenspieler haben zudem einen schaustellerischen Hintergrund: Scaramanga trat in einem Zirkus auf, sein Fun House versprüht auch ein entsprechendes Flair; während Khan einen Zirkus für seine Pläne benutzt. Und in beiden Filmen ist Bond Jagd-Objekt: Einmal durch Scaramanga, der Bond sozusagen sogar als Möchtegern-Jagdtrophäe besitzt, und einmal bei einer Elefantenjagd durch Khan, eine Szene, die von den Film THE MOST DANGEROUS GAME (1932) inspiriert ist. Beide Schurken spielen diesen sadistischen Aspekt mit diabolischen Charme aus, haben jeweils auch schon einen Doppnull-Kollegen auf dem Gewissen - 002 und 009 - und dinnieren mit Bond vor ihrer Jagd.


Film Nr. 3 und Film Nr. 5: Mediterrane Agentenjagd per Ski und unter Wasser

Der Spion, der mich liebte & In tödlicher Mission

Auch hier ähneln sich die Schauplätze auf erstaunliche Weise, denn sie sind beide um das Mittelmeer herum angesiedelt. Ägypten und die Mittelmeer-Insel Sardinien bei THE SPY WHO LOVED ME (Der Spion, der mich liebte, 1977) und in FOR YOUR EYES ONLY (In tödlicher Mission, 1981) Griechenland und die Mittelmeer-Insel Korfu. (Auch hier thematisch sehr verwandte Titel, die sich explizit auf das Spionage-Geschäft beziehen und sich sogar reimen.) Bond ist dort jeweils im Lotus Esprit oder mit seiner Begleiterin in einer Kutsche unterwegs. 

In beiden Fällen landen Zugänge zur atomaren Verteidigung Großbritanniens auf dem freien Markt und drohen, in die Hände der Sowjets zu fallen - und werden dementsprechend zum Gegenstand erbitterter Verfolgungsjagden. Beide Filme haben sowohl ausgedehnte Unterwasser-Action im Mittelmeer als auch rasante Jagden auf Skiern in alpinen Gegenden - die jeweils mit damals modernem und mittlerweile umstrittenem Disco-Sound unterlegt sind, von den US-Amerikanern Marvin Hamlisch und Bill Conti.

Anya (Barbara Bach) und Melina (Carole Bouquet) verlieren zu Beginn gewaltsam geliebte Menschen und werden von Rachegelüsten getrieben, auf die Bond beruhigend einwirken muss. Beim Showdown ist Bond jeweils auf die Zusammenarbeit mit einem Verbündeten (Carter, Columbo) und dessen Team angewiesen, um das Versteck des Schurken zu stürmen. 

Neben Ähnlichkeiten in den Schauplätzen, der Art der Action und der Musik verbindet beide Filme, dass sie als die besten Bond-Beiträge von Roger Moore gelten.


Film Nr. 4: Extraterrestrischer Höhe- und Wendepunkt

MOONRAKER von 1979 ist nicht nur der Höhepunkt der Moore-Ära, sondern in mehrfacher Hinsicht auch des Larger-than-life-Bonds allgemein. Größer und spektakulärer war es davor nicht, und wurde es auch danach nie wieder. Dementsprechend war der Film auch nicht nur ein Wendepunkt innerhalb dieser Ära, sondern auch im Franchise allgemein. 

Der Spion, der mich liebte, Moonraker und In tödlicher Mission werden als zentrales Dreigespann der Moor'schen Bondfilme durch Schauplätze in Italien vereint, inklusive der Parodie des italienischen Lebemanns durch Victor Tourjansky, der zu tief ins Glas, bzw. die Flasche schaut. Neben Italien schickt der Film Bond wie im ersten und siebten Film nach Amerika - und natürlich in den Weltraum. Ein Eskapismus, der ein Umdenken in den Filmen danach förmlich erzwang. Der Film birgt also - um es mit Doc Brown zu sagen - eine gewisse kosmische Signifikanz in sich. Beinahe so, als wäre er der temporale Knotenpunkt für das Bond'sche Raum-Zeit-Kontinuum. Doch andererseits könnte das alles auch nur Zufall sein. Oder die Ausgeburt eines gelangweilten Nerd-Hirns. ;) 

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