Mittwoch, 29. September 2021

It's better to travel hopefully...

Premiere des Films in London
Zwei Jahre, nachdem Keine Zeit zu sterben abgedreht war, und sechs Jahre nach dem letzten Bond Spectre, kommt der finale Daniel-Craig-Bond heute endlich in die Kinos. Damit endet eine Ära - die zweite eines Bonddarstellers, die ich im Kino begleitet habe - nach 15 Jahren. Die längste Ära eines Bonddarstellers überhaupt. Als ich 1993 Bondfan wurde, war das Franchise gerade dreißig Jahre alt  geworden, also zweimal so lang wie Daniel Craigs Zeit als James Bond. Die ersten 15 Jahre brachten genau zehn Filme hervor, mit Der Spion, der mich liebte als grandiosen Höhepunkt, die zweiten immerhin sechs Filme.

Keine Zeit zu sterben ist ein Film, dessen Bewertung sehr schwierig ist, wenn man nicht spoilern möchte. Trotzdem will ich das nachfolgend versuchen. 


Seit seinem furiosen Auftakt Casino Royale (2006) haben die Bondfilme mit Daniel Craig ein ähnliches Problem wie die Filme des indisch-stämmigen Regisseurs M. Night Shyamalan seit dessen Debüt THE SIXTH SENSE. Bei ersterem erwartete das Publikum seitdem immer das ganz große Drama, bei zweiteren den ganz großen Twist am Ende. Und bei beiden litten die nachfolgenden Filme zunehmend unter dieser selbst auferlegten Bringschuld. So sehr, dass sie manchmal wie ihre eigenen Parodien wirkten, etwa, wenn sich in SPECTRE Blofeld à la Austin Powers als Bonds Stiefbruder entpuppt. 

Das, was die sehr gelungene Schlusszene von Casino Royale versprach, haben die Filme dabei nie wirklich geliefert. Der Verlust von Vesper Lynd sollte den Doppelnull-Novizen zu dem Spion gemacht haben, den wir kennen: Den ebenso abgebrühten wie ironischen Actionhelden im perfekt sitzenden grauen Dreiteiler. Nein, Halt, doch noch nicht!, schien QUANTUM OF SOLACE 2008 zu rufen. Er muss erst die Wüste der Trauer durchqueren und sein Quantum Trost finden, das er für den Job und sein Leben braucht. Das schafft er am Ende, und endlich sehen wir den Mann in der Gunbarrel. Endlich Zeit für die Missionen, die tollen Abenteuer, die Frauen. Halt, Stop!, rief dann SKYFALL ganze vier Jahre später. Vier Jahre, in denen Craigs Bond all die schönen Abenteuer im Zeitraffer schon durchlebt zu haben schien - nur leider off-screen - und von der MI6-Leitung als eigentlich schon zu alt und überhaupt völlig unfit befunden wird. Bond kämpft sich abgeschossen, abgestürzt und vom Leben runtergespült wieder nach oben. Jetzt aber! Feierliche Musik, Smoking, Gunbarrel!

No more drama? Aber dann wäre es ja nicht das, was die Craigfans eigentlich wollen. Also wird es wieder personal, this time really really! Die große graue Eminenz mit der weißen Katze hinter allem entpuppt sich als Feind noch aus Sandkastenzeiten! Geht es noch personaler? Ja, es geht, und NO TIME TO DIE beweist es. Aber ähnlich wie bei SPECTRE - und wenn man ehrlich ist, auch bei allen anderen Craigfilmen - zu einem enormen Preis. Die Bondfilme mit Daniel Craig sind insofern ein bisschen wie die pompösen Gelage eines eigentlich bankrotten Cäsars, der dafür den gesamten Staatsschatz plündert. Nach uns die Sintflut. 

Der Film an sich ist dabei - ebenfalls wie alle andere Craigfilme, vielleicht mit Ausnahme von SPECTRE - handwerklich und dramaturgisch sehr gut gemacht und in sich stimmig. Es gibt einige wirklich geniale Einfälle, auch die Actionszenen sind rasant. Aus der Affäre der unsäglichen "Blofeld"-Travestie des letzten Films zieht sich der Film elegant. Alle Darsteller machen ihre Sache recht gut, inklusive Daniel Craig, der hier zum Glück nicht allzu verkrampft versucht, ironische Oneliner zu liefern. Lashana Lynchs 007 ist nicht so schrecklich wie befürchtet, und die obligatorischen Opferriten und Verbeugungen vor dem Zeitgeist fallen nicht so künstlich gestelzt aus wie in GOLDENEYE. Und endlich gibt es auch wieder eine sich echt anfühlende Bedrohung. Vielleicht so echt, dass sie den Film selbst bedrohte. Zumindest sehr dicht am Puls dieser Zeit. 

Nur irgendwie... ist es nicht mehr der James Bond, den ich eigentlich mag. Der in erster Linie einfach Spaß macht. Der zwar auch mal einstecken muss, aber im Großen und ganzen 'rult', wie man in den 90ern sagte. Zu viele Wermutstropfen im Martini. Letztlich sind es mehr Daniel-Craig-Filme als James-Bond-Filme, und damit wurde das Mantra von Albert 'Cubby' Broccoli - James Bond ist der Star, und nicht sein Darsteller - aufgegeben. Wie auch einige andere Prinzipien. Insofern ist NO TIME TO DIE als Abschluss der Ära Craig allerdings auch konsequent. Und man muss sagen, es ist auch konsequent der Bond, der am besten in diese Zeit passt.

Wie geht es weiter mit dem Franchise? Wie stark und in welche Richtung wird der Charakter noch mutieren? Das würde ich ähnlich beantworten wie Rhett Butler am Ende von GONE WITH THE WIND

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