Samstag, 17. April 2021

Verlorene Bondtraditionen: Tauchgänge und Haie

Mit dieser Artikelserie möchte ich Dinge beleuchten, die innerhalb des Bond-Franchise mal Tradition hatten, aber mittlerweile (oder vorerst) verschwunden sind.


James Bond diving
Der in den Büchern von Ian Fleming beschriebene James Bond hat eine ausgeprägte nautische Ader. Genau wie sein Vorgesetzter M hat er in der Royal Navy gedient. Er liebt ausgedehnte Schwimm- und Tauchgänge sowie die Unterwasserflora- und -Fauna. Und seine Lieblingsfarbe ist marineblau. 

In den Filmen mit Daniel Craig ist davon nicht mehr viel übriggeblieben. Die letzte ausgedehnte Gerätetauch-Szene ist mittlerweile 24 Jahre her - ebenso wie ein Auftritt Bonds in seiner Navy-Uniform, größere in die Filmhandlung eingebundene Unterwasserszenen sogar 32 Jahre. Es gab zwar immer wieder mal kürzere Szenen unter Wasser, die allerdings Seemeilen entfernt sind von der submarinen Pracht eines THUNDERBALL, THE SPY WHO LOVED ME oder FOR YOUR EYES ONLY. Neben produktionstechnischen könnte das auch künstlerische Gründe haben.



Fast jeder Bondfilm der 1960er Jahre setzte einen Goldstandard in Bezug auf bestimmte Elemente, die das Franchise in Zukunft ausmachen sollten: Zugszenen und Zweikämpfe in FROM RUSSIA WITH LOVE (Liebesgrüße aus Moskau, 1963), Eis- und Schnee-Action in ON HER MAJESTY'S SECRET SERVICE (Im Geheimdienst Ihrer Majestät, 1969) und natürlich Unterwasserszenen in THUNDERBALL (Feuerball, 1965). Die ausgedehnten und wunderschön anzusehenden Szenen stellen nicht nur im Bondfranchise, sondern auch allgemein im Film einen selten wieder erreichten Höhepunkt dar. 

Erst 12 Jahre später realisierte man wieder spektakuläre Unterwasserszenen, für THE SPY WHO LOVED ME (Der Spion, der mich liebte, 1977). Hier gibt es eine aufwändige Verfolgungsjagd mit einem tauchfähigen Lotus Esprit. Schon im übernächsten Bond vier Jahre später, FOR YOUR EYES ONLY (In tödlicher Mission, 1981), gab es erneut sehr schöne und aufwändige Tauch-Action in einem versunkenem Schiff, samt Angriffen von Helmtauchern und feindlichen U-Booten. Diese Szenen entstanden ebenfalls in den Bahamas, sowie im Tank von Pinewood.

Beide Filme mit Roger Moore nahmen dem lange geplanten Remake von THUNDERBALL, an dem der Produzent Kevin MccClory die Rechte besaß, etwas den Wind aus den Segeln. Ursprünglich wollte McClory unter dem Titel "Warhead" ein sehr aufwändiges 'Star Wars unter Wasser'. (mehr dazu hier) Diesen überlebensgroßen Ansatz hatte jetzt zum Teil schon SPY verwirklicht, während In tödlicher Mission den realistischeren, eher suspense-getriebenen Ansatz der Romane umsetzte. McClory ging gerichtlich gegen THE SPY WHO LOVED ME vor, allerdings erfolglos. Der letztlich gedrehte Film mit dem Titel NEVER SAY NEVER AGAIN (Sag niemals nie, 1983) musste sich aus rechtlichen Gründen eng an die Romanvorlage halten, und enthält daher nur ein Attentat auf Bond mit künstlich getriggerten Haien und den finalen Kampf zwischen Bond und Largo unter Wasser, was handwerklich aber auch durchaus sehenswert und gut gelungen ist. 

Dreharbeiten zu LICENCE TO KILL
bei Cancun
Der letzte Einsatz von Tauchern und U-Booten in Action mit größerem Bezug zur Handlung war dann 1989 in LICENCE TO KILL (Lizenz zum Töten). Auch die obligatorischen Haie sind hier letztmalig zu erleben. Hier nutzt der Gegenspieler die Fassade eines maritimen Forschungsunternehmens, um Drogen zu schmuggeln und der Polizei zu entkommen. Gedreht wurde im Karibischen Meer vor der Insel Isla Mujeres nahe Yucátan. Der zweite Bondfilm mit Timothy Dalton kommt dem literarischen 007 und seinem bereits erwähnten Faible für das nasse Element sehr nahe.

In TOMORROW NEVER DIES (Der Morgen stirbt nie, 1997) erkundet James Bond (Pierce Brosnan) nach einem HALO-Sprung aus einem Flugzeug das Wrack eines Kriegsschiffes im südchinesischen Meer. Hierfür filmte man erstmals nicht in natürlichen Gewässern, sondern in einem 'Infinite-Horizon-Tank' der mexikanischen Baja Studios, der kurz zuvor extra für den Film TITANIC von James Cameron gebaut worden war. 

Obwohl sich die Dreharbeiten für die Szenen, die im Film nur wenige Minuten dauern, sehr aufwändig gestalteten und über zwei Monate dauerten, wirken sie im Vergleich zu frühren Szenen im Franchise seltsam leblos und steril - im Gegensatz zum Handlungsort Südchinesiches Meer. Dieses etwas frustierende Verhältnis zwischen Aufwand, Kosten und Endergebnis trug sicher dazu bei, dass ausgedehnte Unterwasserszenen mit professioneller Tauchausrüstung seitdem nicht mehr in den Bondfilmen vorkommen.

Szenen, in denen Bond dazu gezwungen ist, kurzzeitig unter Wasser zu agieren, gibt es natürlich noch in ausreichender Zahl. So etwa Tauchszenen an einem U-Boot in THE WORLD IS NOT ENOUGH (Die Welt ist nicht genug, 1999), die wieder in den Bahamas gedreht wurden, Szenen unter einer Eisdecke in DIE ANOTHER DAY (Stirb an einem anderen Tag, 2002), in einem versinkenden, venezianischen Haus in CASINO ROYALE (2006) und dann wieder unter Eis in SPECTRE (2015). Diversen Einstellungen in den Trailern zufolge wird auch NO TIME TO DIE derartige kurze Szenen enthalten, anscheinend jedoch nicht in einem wirklich aufwändigen Ausmaß. 

Grundsätzlich wären größere Unterwasserszenen in der Dimension eines FOR YOUR EYES ONLY wohl auch heute möglich. Vielleicht sogar ein 'Star Wars unter Wasser', wie es sich Kevin McClory mal erträumt hatte. Digitale Effekte ermöglichen mittlerweile fast alles, auch das Einsetzen künstlicher Tiere. Der Waran und die Maus in den letzten beiden Bondfilmen haben das gezeigt. Warum sind derartige Szenen also scheinbar aus der Mode gekommen?

Ich persönlich glaube, dass das mit den veränderten Ansprüchen der Produzenten an ihre Bondfilme zusammenhängt. Seit der Verpflichtung von Daniel Craig stehen das Schauspiel und die Konflikte der Figuren mehr im Vordergrund als je zuvor im Franchise. Wenn man einen Star hat, für den man einen zweistelligen Millionenbetrag hinblättert, versteckt man sein Gesicht nicht hinter einer Taucherbrille. Die Gegebenheiten unter Wasser reduzieren die schauspielerischen und dramaturgischen Möglichkeiten enorm. Man merkt das sehr gut im Finale von NEVER SAY NEVER AGAIN. Lieferten sich Sean Connery und Klaus Maria Brandauer im restlichen Film einen wunderbaren Zweikampf, ist davon unter Wasser nicht mehr viel zu merken. Man sieht von ihnen eigentlich nur noch Augen in Großaufnahme, der Rest sind Stuntmen. 

Unterwasserszenen berauben die Schauspieler größtenteils ihrer mimischen und sprachlichen Ausdrucksform. Wobei man das in FOR YOUR EYES ONLY durch die High-Tech-Taucheranzüge noch sehr gut gelöst hat. (Eine ähnlich gute Lösung fand auch James Cameron für THE ABYSS.) Und sie bremsen durch ihr Medium gezwungenermaßen das Tempo. Schnelle bis rasante Bewegungen sind unter Wasser schwer möglich, und so entsteht Tempo eher durch den Schnitt, wie in THE SPY WHO LOVED ME oder LICENCE TO KILL. Größere Aktionen unter Wasser mit mehreren Beteiligten wirken auf heutige Zuschauer mit ihren Sehgewohnheiten schnell ermüdend, wie man an Reaktionen zu THUNDERBALL auch oft bemerken kann. 

Das ist insofern schade, dass es zum einen ein Element ist, das einfach zu Bonds Charakter gehört wie das Spielen im Casino, und Daniel Craigs Bond zum anderen wieder mehr an diesen Romanbond angelehnt sein soll. Ian Fleming schrieb die Bondstories in seinem Haus auf Jamaika mit Blick auf das Meer, zwischen ausgedehnten Schwimm- und Tauchtouren. Die Liebe zum nassen Element spiegelt sich in den Geschichten und sogar in den Titeln, wie Octopussy oder Moonraker, was die Bezeichnung eines Segels ist. Connery, Moore und Dalton schwammen mit den Haien, Brosnan durfte wenigstens noch einmal mit Gerät tauchen. Craigs Bond durfte bisher nur ein paar Runden im Schwimmbecken drehen, und in NO TIME TO DIE lebt er immerhin ebenfalls in einem Haus am Meer auf Jamaika.

Interessanterweise scheinen Unterwasserszenen in einem ähnlichen Ausmaß abgenommen zu haben wie Action mit Bond auf einem Motorrad zugenommen hat. Allein von den fünf Craig-Bonds enthalten drei längere Szenen mit Motorrädern (NO TIME TO DIE eingschlossen). Diese Form von Action ermöglicht genau das, was Unterwasserszenen schwer vermögen: Rasanz und Körperlichkeit, während der Darsteller jederzeit voll zu erkennen ist (natürlich nur, wenn er dabei keinen Helm trägt, wie Sean Connery in NEVER SAY NEVER AGAIN).  

Da Unterwasserszenen einen erheblichen Mehraufwand darstellen - man filmt sie am besten in wärmeren Gewässern wie den Bahamas, muss Kulissen vor Ort bauen oder transportieren, ist extrem wetterabhängig, etc. - und schauspielerische und dramaturgische Aspekte mittlerweile viel mehr Gewicht haben als reine Schauwerte, werden große submarine Schlachtengemälde à la THE SPY WHO LOVED ME oder gar THUNDERBALL wohl der Vergangenheit angehören. Mit Blick auf krisenbedingt eingebrochene Einspielergebnisse in diesen Zeiten sowieso.

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