Freitag, 3. Juli 2020

Das Besetzungs-Paradoxon

Mitte der 1980er Jahre: Die Hauptrolle in einem hochkarätigen A-Film soll besetzt werden. Der Favorit der Macher ist jedoch vertraglich an eine Fernsehserie gebunden. Ironischerweise eben jene Serie, die ihn zum Star und Publikumsliebling gemacht hat. Man findet einen Ersatzmann, der die Rolle allerdings ungewöhnlich ernsthaft angeht, und damit nicht jeden überzeugt.

Back to the Future Eric Stoltz / Pierce Brosnan as Bond 1987Bondfans werden hier sofort an THE LIVING DAYLIGHTS (Der Hauch des Todes, 1987) denken, für den erst Pierce Brosnan gecastet wurde. Nachdem er bereits offiziell der Presse vorgestellt worden war, musste er dann wieder seinen Vertrag für die Serie Remington Steele (1982-87) erfüllen und die Rolle abgeben, die dann Timothy Dalton übernahm. Aber auch bei der Vorproduktion des Blockbusters BACK TO THE FUTURE (Zurück in die Zukunft, 1985), der heute vor 35 Jahren in die US-Kinos kam, gab es eine sehr ähnliche Situation: Michael J. Fox war durch die Serie Family Ties (Familienbande, 1982-89) vertraglich gebunden, und man engagierte stattdessen Eric Stoltz. Trotz dieser vergleichbaren Umstände verlief die Produktion beider Filme dann aber völlig anders.




Der Method-Actor Eric Stoltz, der mit dem presigekrönten Drama THE MASK (Die Maske, 1985) von Peter Bogdanovich Aufmerksamkeit erregte, ging die Rolle des zeitreisenden Teenagers Marty McFly ungewöhnlich ernst an. Er bestand beispielsweise darauf, auch in den Drehpausen mit Marty angeredet zu werden. Für alle Beteiligten funktionierte das allerdings trotz seines beeindruckenden Schauspiels nicht, da der Film eher als Komödie angelegt ist und auf Dialog- und Situationskomik baut.

Hier hinkt der Vergleich zu Timothy Dalton etwas, denn obwohl auch er seine Rolle des Womanizers James Bond 007 wesentlich ernsthafter und tiefgründiger anlegte als alle seine Vorgänger, ist wohl niemand während der Produktion auf die Idee gekommen, ihn umzubesetzen. Und sein Spiel funktioniert für viele Zuschauer und Fans auch heute noch sehr gut, da die Figur Bond eben auch eine düstere und ernsthafte Seite besitzt. Trotzdem kann man aber sagen, dass der Reiz der Figur Marty in den Zurück-in-die-Zukunft-Filmen ebenso wie der von James Bond zu einem großen Teil aus dem augenzwinkernden Spiel mit dem Zuschauer besteht.

Am Set von Zurück in die Zukunft kam man schließlich zu dem schweren - und in Hollywood wohl einmaligen - Entschluss, Eric Stoltz nach fünf Wochen Drehzeit zu ersetzen und alle seine Szenen noch einmal neu zu drehen. Für Stoltz war das ein herber Rückschlag in seiner Karriere, für Michael J. Fox dagegen wohl das schönste Kompliment, das man einem Schauspieler machen kann. Die Produzenten arrangierten sich mit den Machern von Familienbande, die Fox erlaubten, außerhalb der Arbeiten zur Serie den Film zu drehen. Fox nahm damit eine schauspielerische Tour de Force mit täglichen Doppelschichten auf sich. Einen fast buchstäblichen 24/7-Job, den er mit Bravour meisterte und der ihn an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit brachte. Er wurde direkt von den TV-Dreharbeiten abgeholt und schlief dann kurz auf der Fahrt zum Filmset. Aber Michael J. Fox wurde dafür mit dem ultimativen Durchbruch belohnt und einem historischen Mega-Erfolg, der in die ewigen Annalen der Popkultur eingegangen ist. Nach dem Ende von Familienbande 1989 drehte er dann zwei Fortsetzungen von BACK TO THE FUTURE am Stück.

Für einen James-Bond-Film mit seinen physisch intensiven Belastungen und zahlreichen Auslandsdrehs wäre so etwas aber grundsätzlich keine Option gewesen. Und so musste Pierce Brosnan die Bondrolle sausen lassen und weiterhin gute Miene als Remington Steele machen. Man kann sich diese Frustration sicher nur schwer vorstellen. Aber auch für ihn gab es noch ein spätes Happy End, als nach einem langjährigen Rechtsstreit Dalton die Rolle aufgab.

Obwohl Timothy Dalton zwei herausragende Bondfilme ablieferte und bis heute für viele Fans als bester Bonddarsteller gilt, der der Buchvorlage am nächsten kam, hat er aber leider auch ein Image als erfolgloser "Zwischen"-Bond, da sein letzter Film Lizenz zum Töten kommerziell enttäuschte. Seine weitere Karriere litt unter diesem Ruf - und das verbindet ihn dann wieder etwas mit Eric Stoltz, der seitdem ebenfalls hauptsächlich Nebenrollen übernahm, etwa in Filmen wie PULP FICTION, ROB ROY oder im Zeitreisethriller THE BUTTERFLY EFFECT. (Bisher wurden nur einige wenige Fotos und Aufnahmen seiner Marty-Interpretation veröffentlicht, allerdings ist er in ganz winzigen Szenen sogar noch im Film drin. Beispielsweise ist es seine Faust, die Biff am Kinn trifft.)

Beide Werke zählen allerdings zu meinen absoluten Lieblingsfilmen. BACK TO THE FUTURE mit dem geborenen 'Marty McFly' Michael J. Fox, THE LIVING DAYLIGHTS mit der 'zweiten Wahl' Timothy Dalton.

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