"London calling, and I don't want to shout,
But when we were talking I saw you nodding out."
(London Calling, The Clash)
Bond-Marathon #21: DIE ANOTHER DAY (2002)
2002 traf der 20. Bondfilm der Produktionsfirma Eon Productions auf das 50jährige Jubiläum der Filmreihe. Das nahm man zum Anlass, Hommagen an frühere Filme und auch den literarischen Ursprung der Figur einzubauen. An sich keine schlechte Idee, schon THE LIVING DAYLIGHTS (Der Hauch des Todes, 1987) hatte als 15. Film zum 25jährigen Jubiläum ein paar dezente Hinweise auf frühere Filme und auch die Romane. Unter der Regie des Neuseeländers Lee Tamahori uferte diese Herangehensweise dann allerdings ebenso aus wie der Ansatz, mal wieder einen etwas phantastischer und überlebensgroß angehauchten Bondfilm zu schaffen.
Der ganze Film wirkt letztlich eher wie eine große Jubiläums-Party, die mit zunehmender Stunde aus dem Ruder läuft und den Sinn für das Angemessene verliert. Erhielt Stirb an einem anderen Tag kurz nach seinem Start noch viele wohlwollende Besprechungen, setzte dann aber schnell eine Katerstimmung ein.
Was genau ging schief mit DIE ANOTHER DAY, und wie wirkt der Film mit einem Abstand von fast zwei Jahrzehnten?
DIE ANOTHER DAY kulinarisch
In Bezug auf Drinks gibt es in Stirb an einem anderen Tag endlich mal wieder etwas Abwechslung von den üblichen gesponserten Marken, und dafür mehr länderspezifisches Flair. Während der Beobachtung der Alvarez-Klinik auf Kuba genehmigt sich Bond einen Mojito - ein Cocktail aus Rum, Limettensaft, Minze, Rohrzucker und Sodawasser. Wer es stilecht mag, nimmt kubanischen Havana Club, möglich sind aber auch Bacardi oder - etwas edler - Mount Gay Rum aus Barbados.
An der Eisbar in Graves' Palast in Island bestellt Bond dann einen traditionellen Wodka Martini - natürlich mit viel Eis.
Nachdem man Bond in GOLDENEYE das Rauchen abgewöhnt hatte, darf er hier noch zweimal an einer kubanische Zigarre ziehen. Aber ähnlich wie in TOMORROW NEVER DIES nicht ohne auf die Gesundheitsgefahren hinzuweisen.
Im Vorfeld: Auf welche Elemente freue ich mich? Auf welche nicht?
DIE ANOTHER DAY war der erste Bondfilm, dessen Entstehung und Rezeption ich online in diversen Fanforen miterlebte, darunter das traditionsreiche deutsche James Bond Forum. Erste Bilder von einem vollbärtigen Pierce Brosnan lösten ebenso wilde Diskussionen und Spekulationen aus wie Gerüchte um ausgedehnte Folterszenen, oder dass Miranda Frost nach Bonds Gefangennahme den Code '007' erhalten hat - was nun auch bei NO TIME TO DIE wieder aktuell die Runde macht.
Der Kinobesuch war dann ein sehr seltsames Erlebnis. Stirb an einem anderen Tag zählt zu den Bondfilmen, die ich häufiger gesehen habe als andere. Zum Teil, weil ich die vielen Hommagen anfangs ganz interessant fand, zum Teil auch, um zu verstehen, warum er so ist wie er ist. Im Gesamteindruck überwiegt leider das Negative - miese Effektszenen und Dialoge, und ein allgemeines Too Much, was angesichts des enormen Aufwands und einiger durchaus guter Szenen immer etwas schade ist.
Bewertungen:
Einführungssequenz / Vortitelsequenz: 12/15
Die vor Hawaii gedrehten Surfszenen sind schon spektakulär. Auch die Eskalation und die anschließende Verfolgung, sowie Bonds Rettung und Verhaftung... Bis hierhin hat man wirklich noch den Eindruck, dass das ein richtig guter Film werden könnte.
Nur der etwas zu stark hochgedrehte Kontrast stört.
Titelanimation: 15/15
Eine meiner Lieblings-Arbeiten von Daniel Kleinman. Das Thema Folter und den sehr sperrigen Titelsong zu einer so schönen Animation zu verarbeiten, ist schon eine Leistung. Der Titel ist hier mehr als in anderen Bondfilmen ein Teil der Handlung. Die Bilder wären sogar innerhalb des Films erklärbar als Halluzinationen von Bond während der Folter. Im Prinzip inszeniert Kleinman damit einen Teil des Films.
Gleichzeitig ist er sehr stilvoll und steht in der Tradition der Maurice-Binder-Arbeiten. Die Eisfrauen kann man als Hommage an den Titel von A VIEW TO A KILL sehen, wodurch der Titel auch zum Zitate-Charakter des Films passt. Die diamantenen Reflektionen erinnern zudem an Sean Connerys Abschiedsfilm DIAMONDS ARE FOREVER, der im Film auch sonst überdurchschnittlich oft zitiert wird.
Allow me to intruduce myself...
Einführungsszene von Bond: 10/15
Bond kommt mit zwei anderen Agenten an Land und nimmt seine Tauchermaske ab.
Einführungsszene des Haupt-Bondgirls: 5/15
Eine eindeutige Hommage an Ursula Andress in DR. NO. Leider viel zu eindeutig. Halle Berry parodiert Andress eher, dazu noch die Zeitlupe. Spätestens ab hier bekommt der Film Comic-Charakter.
Die gesamte Szene erinnert auch etwas an Bonds Begegnung mit Fatima in Sag niemals nie, wobei die Hommage an den Konkurrenzfilm trotz allem Meta-Feelings wohl nicht beabsichtigt war. Bond war schon immer ein Womanizer, aber dass er bereits Sekunden nach dem ersten Hallo beim Sex zu sehen ist, wirkt dann doch etwas übertrieben.
Einführungsszene des Gegenspielers: 11/15
Wenn man von der ersten Szene von Colonel Moon (Will Yun Lee) absieht, die ebenfalls ganz okay ist, tritt Gustav Graves durch einen Fallschirmsprung vor dem Buckham Palace auf. Der Union-Jack-Fallschirm ist natürlich ein Zitat von Der Spion, der mich liebte. Als Erstauftritt eine recht nette Idee, auch durch den Einsatz von The Clashs London Calling.
Einführungsszene des Haupt-Henchman: 9/15
Zao (Rick Yune) ist im Umfeld von Moon im nordkoreanischen Militärstützpunkt zu sehen; mit seinem Superschurken-Outfit erst später dann in der kubanischen Klinik.
Besetzung und Schauspiel
Darstellung von James Bond: 12/15
In der ersten Filmhälfte hat Pierce Brosnan einige Szenen, in denen er schauspielerisch mehr gefordert ist. Verrat, Folter, Übergabe, das Gespräch mit M. In diesen Momenten ist er recht gut. Letztenlich muss ich aber auch sagen, es wirkt bei ihm trotz allem immer etwas "gespielt", im buchstäblichen Sinne. Dafür bringt er aber die selbstironischen Momente gut rüber.
Gibt es Szenen, in denen Bond weniger sympathisch erscheint?
Nein. (Nur vielleicht als Gameboy-Figur auf der Welle.)
Darstellung des Gegenspielers: 4/15
Toby Stephens spielt Gustav Graves wie die Karikatur einer Karikatur; völlig oberflächlich, ohne eine Spur von ernsthaftem Interesse. Er könnte auch direkt vom Set eines Johnnie-English-Films herüberspaziert sein. Man könnte natürlich sagen, dass das Drehbuch auch nicht viel mehr fordert. Mein Lieblingszitat zu diesem Thema stammt von Sir Christopher Lee: “Every actor has to make terrible films from time to time, but the trick is never to be terrible in them.”
Stephens dagegen merkt man in jeder Sekunde an, wie wenig herausfordernd er seinen Charakter findet, was er auch später in Interviews des öfteren betont hat.
Henchmen: 8/15
Rick Yune ist eigentlich ein talentierter und sympathischer Schauspieler, aber durch die Inszenierung und das Make-up kommt er nicht so richtig zur Geltung.
Die Idee, ihm Diamanten ins Gesicht zu kleben, ist schon etwas grenzwertig. Zumal eine Gesichtsänderung durch Gentherapie mit diesen Diamanten ziemlich sinnfrei ist. "Ich bin Thomas Schiller aus Hamburg. Meine Eltern starben durch eine Gasexplosion bei Tiffany's."
Bondgirl: 2/15
Helfer: 13/15
Emilio Echevarria (AMORES PERROS) ist ein Highlight des Films. Leider hat er nur wenige Szenen. Er hat etwas von Kerim Bey und hätte den Film veredeln können.
MI-6
Briefing-Szene: 13/15
Die mittlerweile berühmte Tür an der Westminster Bridge |
Moneypenny-Szene: 3/15
Moneypenny hat in der Mitte eine kurze Szene, in der Robinson sie dabei erwischt, das Gespräch zwischen M und dem NSA-Chef abzuhören. Das ist natürlich wie fast alles auch eine Anspielung, hier an Lizenz zum Töten.
Die Szene am Ende finde ich ziemlich daneben. Mal abgesehen davon, dass diese Art von virtueller Realität viel zu utopisch ist für einen Bondfilm, negiert das den gesamten bis dahin aufgebauten Charakter. Man gibt Moneypenny für einen peinlichen Schenkelklopfergag der Lächerlichkeit preis.
Q-Szene: 11/15
Die Idee einer Asservatenkammer, in der frühere Gadgets aufbewahrt werden, ist recht nett. Wenn in dieser Form auch so maßlos übertrieben wie alles andere. John Cleese wirkt etwas souveräner als in Die Welt ist nicht genug. Der Ultraschallring ist eigentlich ein sehr cooles Gadget. Der unsichtbare Aston dagegen... nun ja.
Dramaturgische Struktur
Ist das auslösende Ereignis stark und interessant genug? 13/15
Hält der Film durchgehend eine gewisse Grundspannung aufrecht? 7/15
Finale allgemein: 7/15
Immerhin interessanter als das Finale von TOMORROW NEVER DIES. Die Antonow An-124 ist äußerlich schon beeindruckend und passt gut in einen Bondfilm. Die Idee für das Flugzeug, das durch den Sonnenstrahl von Ikarus fliegt und wie der namensgebende Hobbyflieger aus der griechischen Mythologie aus dem Leim geht, stammt wie viele andere Dinge von Regisseur Lee Tamahori.
Im Drehbuch von Purvis und Wade sollte der finale Kampf zwischen Bond und Moon/Graves in einem riesigen Beach-Resort in Japan stattfinden. Die Frage ist, ob die Handlung hier tatsächlich nach Japan gehen sollte - vielleicht weil Graves entkommen ist - oder ob der künstliche Strand Teil der Eispalast-Anlage sein sollte, die damit noch viel gigantischer gewesen wäre.
Gibt es eine Steigerung des Sensationswertes bis hin zum Finale, das alles andere überschattet? 7/15
Es wird gegen Ende hin größer, und zumindest gewollt spektakulärer, aber die am Anfang aufgebaute Spannung um den Verrat an Bond wird irgendwann völlig vom Gigantismus plattgewalzt.
Showdown
Endkampf Bond - Henchman: 12/15
Die Verfolgungsjagd zwischen Bond im Aston Martin Vantage und Zao im grünen Jaguar XKR auf einer gefrorenen isländischen Lagune ist tatsächlich einer der echten Höhepunkte des Films. Sogar eine der besten Verfolgungsjagden überhaupt, und einer dieser Momente, bei denen man sich den restlichen Film ebenso gelungen wünscht. Zwei mit Gadgets hochgerüstete Autos im Duell gegeneinander antreten zu lassen war ein Novum und macht - zumindest für mich - durchaus Spaß. Durch die bedrohte Jinx erhält das Ganze auch eine Dramatik über den reinen Schauwert hinaus, zumindest theoretisch.
Die Dreharbeiten dafür dauerten allein drei Wochen. Getrübt wird das Autoduell dann aber durch das Ende mit der wundersamerweise wieder funktionierenden Tarnkappe. Auch Zaos Ende ist mir zu übertrieben brutal, ein typisches Manko der Brosnan-Ära.
Der Endkampf Jinx gegen Miranda Frost ist von der Stuntarbeit ebenfalls recht gut. Rosamund Pike nahm wie Pierce Brosnan und Toby Stephens intensiven Fechtunterricht dafür.
Endkampf Bond - Schurke: 7/15
Das Setting und Graves RoboCop-Anzug ziehen es runter.
Wirkt die Auflösung nach dem Finale befriedigend? 6/15
Bond und Jinx im Papp-Tempel an der englischen Küste, mit einem typisch dümmlichen Dialog. Die Moneypenny-Szene davor finde ich wie schon erwähnt schlimm.
Ist Bonds ermittlerische Vorgehensweise glaubwürdig und zielführend? 9/15
Den Hinweis auf Zaos Aufenthalt erhält Bond von Chang, den Ursprung der Diamanten recherchiert er mit Hilfe von Raoul. Wie sich Bond Zugang zur Klinik verschafft ist recht witzig und clever. Für Island hat er dann wieder Rückendeckung vom MI6.
Allgemein
Fleming-Feeling: 6/15
Zumindest oberflächlich gibt es viele Anlehnungen an Ian Fleming. Das Buch Birds of the West Indies als Namensgeber für James Bond. Die Szene zwischen Bond und M auf dem Schiff im Hongkonger Hafen, die an den Anfang des Romans The Man with the Golden Gun erinnert, Bond in einem Ford Fairlane unterwegs auf Kuba oder beim Waffe-Reinigen in seinem Büro... Graves Hintergrund ist außerdem von Drax im Buch Moonraker angeregt. Szenenweise ist das sehr schön, verliert sich aber im großen Durcheinander.
Dialoge/Humor: 2/15
Die schlechtesten Dialoge in der gesamten Reihe. Ich weiß bis heute nicht, was Jinx mit "Now that's a mouthful" meint. Überhaupt alle Dialogzeilen von Jinx... Gruselig! Auch Rosamund Pikes Talent wird komplett verschleudert. Das hat alles das Niveau eines Marvel-Comics aus den 60ern.
Logik/Schlüssigkeit der Story: 1/15
Nun ja... *hüstel* Die Idee eines Identitätswechsels mit Hilfe einer Gen-"Therapie", also des Austausches von Stammzellen, ist wohl die utopischste Idee im Franchise überhaupt. So etwas gibt es noch mal nicht bei Star Trek, das mehrere hundert Jahre in der Zukunft spielt. Von 'Cubby' Broccolis Losung "Drei Minuten in der Zukunft" kann da absolut keine Rede mehr sein. Warum man hier nicht einfach klassische Gesichts-Chirurgie genutzt hat, die ja ebenfalls verblüffende Ergebnisse erzielt, ist unverständlich. Zumal man sich auch fragt, warum die Gene einer völlig fremden Person nicht auch die Persönlichkeit beeinflussen.
Der letzte Roman zum Film, und das erste Behind-the-Scenes-Buch von Greg Williams |
Auch die "Virtual Reality", bei der man nur mit einer kleinen Brille komplett in hyperrealistische, physisch erlebbare Simulationen eintaucht, ist absoluter Schwachsinn. Dabei ist VR an sich nicht mal so abwegig. John Gardner hat das in seinem Roman Role of Honour (Eine Frage der Ehre) schon 1984 glaubwürdig eingesetzt. (Und wenigstens hat Gardner das dann auch handlungstechnisch genutzt, und nicht nur für eine billige Publikumsverarschung.) Die Unsichtbarkeit des Aston Martin strapaziert eine interessante technische Grundlage ebenso bis zur absoluten Lächerlichkeit. (Und nutzt es ebenfalls nicht mal gut innerhalb der Handlung.)
Immerhin muss man sagen, dass die Satellitenwaffe Ikarus glaubwürdiger ist als Ken Adams Kreation für DIAMONDS ARE FOREVER. Aber obwohl sich auch Adam teilweise schon herzlich wenig um technisch-wissenschaftliche Gegebenheiten geschert hat, hatten frühere Filme wenigstens eine gefühlte Glaubwürdigkeit. Diese Filme muteten dem Zuschauer auch nie mehr als zwei Science-Fiction-Technologien zu (Raumfahrzeug-Kapern in YOU ONLY LIVE TWICE, Laser-Satellit und plastische Chirurgie samt Stimmen-Modulation in DIAMONDS ARE FOREVER, Raumstation und biologisch selektives Nervengift in MOONRAKER). In DIE ANOTHER DAY gibt es dagegen sechs (!): Gentherapie, perfekte adaptive Tarnung, Satellitenlichtwaffe, perfekte Virtual Reality, Schlaf-Induktion und Wearable-Satellitensteuerung. Und keine davon wird dramaturgisch wirklich gut genutzt.
Handwerk
Produktions-Design: 12/15
Zum Teil gelingen Produktionsdesigner Peter Lamont einige der besten Arbeiten seiner Bondkarriere, wie etwa die stillgelegte U-Bahnstation oder auch das Innere des Eispalastes. Auch die kubanische Ausstattung in Cádiz überzeugt, wie zum Beispiel die Zigarrenfabrik.
Spezialeffekte: 6/15
Hier fällt einem natürlich sofort die berühmt-berüchtigte Parasurfing-Szene auf einer Tsunamiwelle ein, die im popkulturellen Gedächtnis wohl auf ewig mit Brosnans Bond in Verbindung bleiben wird. Und ja, sie ist auf eine erschreckende und peinliche Weise wirklich lächerlich schlecht. Jedes Mal. Auch Jinx' Sprung von der Klippe oder das sich zerlegende Flugzeug am Ende sehen nach unausgereiftem CGI aus.
Okay sind dagegen die Trickaufnahmen des Satelliten.
Action/Stunts: 10/15
Auch hier eine sehr zwiespältige Bewertung. Der Film enthält grandiose Stuntarbeit, wie etwa die eröffnenden Surfszenen, die Autojagd oder auch der Fechtkampf zwischen Bond und Graves, den beide sogar größtenteils ohne Double bestritten. Brosnan brachte sich körperlich nicht so viel weniger ein als Daniel Craig, und erlitt teils harte Blessuren. Diese Schauwerte sind überdurchschnittlich gut, und ich finde es immer sehr schade, dass die Mängel des restlichen Films diese mit runterziehen.
Als reine Computeranimation ausgeführte "Stunts" wirken dagegen für eine Bondproduktion eher unwürdig und trüben das Bild. Insgesamt wirkt die Action auch weniger dosiert und durchdacht wie bei den meisten anderen Bondfilmen, sondern eher wie ein ermüdender Dauer-Bombast.
Bildgestaltung: 9/15
Die Photographie an sich ist recht okay. Unstimmig wirken viele Szenenübergänge, und vor allem die berühmt-berüchtigten Speed-Ramp-Effekte von Cutter Christian Wagner (MISSION: IMPOSSIBLE II, SPY GAME).
Locations
Drehorte: 11/15
Ebenfalls sehr zwiespältig. Auf der einen Seite ist das andalusische Cádiz als Double für Kuba schon sehr schön fotografiert. Vor allem der Eröffnungsschwenk über die Strandpromenade ist beeindruckend, auch wegen der liebevollen Ausstattung und der Choreographie der Statisten. Unbedingt loben muss man auch die Verfolgungsjagd über die gefrorene Lagune Jökulsárlón in Island. Eine atemberaubende Gegend, für die man wirklich keine Mühen gescheut hat.
Dagegen stehen viele Szenen, die einfach nicht echt wirken. Nordkorea am Anfang (dass man nicht in Nordkorea drehen kann ist völlig klar, aber es wirkt nicht mal sonderlich asiatisch), Hongkong und vor allem vieles um den Eispalast herum. Im Endeffekt gibt es durchaus Schauwerte, aber nicht einen wirklich echten Haupt-Schauplatz. Das ist etwas, das ich sehr vermisse.
Lokalkolorit: 6/15
Bonds Surfbrett |
Die Londonszenen bieten logischerweise etwas Flair, beispielsweise am Buckingham Palace. Island dagegen fast gar nicht.
Kombination: 7/15
Musik
Titelsong: 5/15
Der Beitrag von Madonna zeigt eindrucksvoll, dass ein großer Name noch lange keinen großen Song garantiert. Da ich die Musik von ihr an sich mag, war ich damals schon etwas schockiert. Zumal sie für den zweiten Teil von AUSTIN POWERS ein stimmigeres Lied beigesteuert hatte. Als ich den Song zum ersten Mal im Radio gehört habe, hielt ich ihn dann auch für einen Remix, und nicht für die Filmversion. Ursprünglich soll Madonna ja eine ganz andere Komposition im Sinn gehabt haben, und sich angesichts des Folter-Hintergrundes der Sequenz dann für Synthpop mit kryptischen Survival-Lyrics umentschieden haben.
Mittlerweile finde ich ihn ganz okay. Der schlechteste Bondsong ist er nicht, da kamen noch ganz andere Nummern.
Allgemein: 12/15
Ähnlich wie beim Film gefällt mir die erste Hälfte des Soundtracks von David Arnold besser als die zweite. Der Score für die eröffnende Hovercraft-Jagd ist recht gut, ebenso die Gefangennahme und der Austausch. Toll dann auch Bonds Ankunft in Kuba, der Übergang von London Calling in die Filmmusik und der Chor für die Präsentation des Ikarus-Satelliten. Dafür folgt Arnold einer Tradition von John Barry, der für die märchenhafteren Bonds auch gern einen Chor einsetzte, wie in Slumber, Inc. vom Soundtrack für DIAMONDS ARE FOREVER oder Bond arrives in Rio für MOONRAKER.
Große Teile der Action-Tracks finde ich dagegen etwas zu lärmig.
Fazit - Gewonnen oder verloren?
Der 20. Bondfilm aus dem Hause EON folgt mehr als jeder frühere Film dem Firmenmotto 'Everything or Nothing'. Man packte scheinbar wirklich jede einzelne Idee für eine Actionszene oder eine Anspielung in diesen Film, der dadurch völlig überladen wirkt. Dabei war das ursprüngliche Konzept für DIE ANOTHER DAY vermutlich noch recht stimmig, mutig und intelligent. Zu diesem Aspekt hatte ich an dieser Stelle schon einmal mehr geschrieben: Der verlorene politische Hintergrund von DIE ANOTHER DAY.
Streckenweise gibt es wirklich gelungene Szenen und Ideen, aber insgesamt wirkt der Film ähnlich spektakulär in den Sand gesetzt wie im letzten Jahr CATS oder 1997 BATMAN & ROBIN. (Interessanterweise spielte letzterer ebenfalls mit dem Thema Eis, sowohl visuell als auch thematisch, und spiegelt ungewollt ebenfalls die kreative Erstarrung des jeweiligen Franchises wider.) Das Autorenduo Purvis und Wade hat seitdem das Image, dass sie ohne 'erwachsene Betreuung' nur Käse schreiben, und das, obwohl die kreative Entgleisung eher auf Lee Tamahori zurückgeht, und sie mit ihrem Debüt die Blaupause für die Craig-Ära geliefert hatten.
Wenn man Regisseur Terence Young (Liebegrüße aus Moskau) mit seinem sehr feinen Gespür für die Welt von Bond an einem Ende des Spektrums sieht, dann steht Lee Tamahori am genau entgegengesetzten Ende. Tamahori fehlt jegliches Gefühl für den Stil und das richtige Maß im Bonduniversum. Das zeigt sich schon daran, dass er 'James Bond' für einen Code-Namen hielt und Sean Connery als ersten Bond auftreten lassen wollte. Bei ihm wird Bond zu einer Comicfigur in einem lebendig gewordenen MAD-Cartoon, der gegen seine eigene Alfred-E.-Neumann-Parodie kämpft.
Was also ging schief mit DIE ANOTHER DAY? Vielleicht ist die Frage einfach falsch gestellt, denn: Ging eigentlich überhaupt etwas schief, aus Sicht der Produzenten? Der Film war ein großer internationaler Erfolg. Für die Ära Brosnan in Bezug auf das Box Office sogar ein so krönender Abschluss, wie ihn anderen Darstellern verwehrt blieb. Anders als etwa nach A VIEW TO A KILL oder LICENCE TO KILL ging die erzwungene Phase des Umdenkens nicht mit finanziellen Sorgen einher.
Und der Film verschaffte Barbara Broccoli und Michael G. Wilson genügend Zeit - und Geld - für den wohl überfälligen Prozess des In-sich-Gehens. Man konnte Pierce Brosnan, den unseligen Tsunami-Surfer, ähnlich dem alttestamentarischen Sündenbock beladen mit den Verfehlungen der gesamten Crew, mit einem 'cold call' in die Wüste schicken, und sich sich nach einer - eigentlich mit verantworteten und keineswegs naturgegebenen - kreativen Erstarrung als Erneuerer und Retter des Franchise präsentieren.
Merkwürdig wirken in dem Zusammenhang auch die Pläne für einen Spin-off-Film mit Halle Berry als Jinx, für den bereits ein fertiges Drehbuch von Purvis und Wade existierte. Dieses Drehbuch soll einen ernsthaften, fast düsteren Ton gehabt haben und sollte von Stephen Frears realisert werden. Das wirkt im Nachhinein schon etwas seltsam. Nachdem Bond von einem eher unerfahrenen Regisseur im Prinzip als völlig lächerliche Jungs-Phantasie bloßgestellt wurde, sollte ein erfahrener Regisseur aus dem Arthouse-Bereich eine neue Reihe mit einer weiblichen Agentin starten. Die Chancen, dass dieser Film im Fahrwasser von Jason Bourne ähnlich positiv wie dann CASINO ROYALE wahrgenommen worden wäre, standen wohl nicht schlecht. MGM blies das Projekt dann zum Ärger von EON ab, aber vielleicht wurde diese Idee nicht völlig aufgegeben.
Am tragischsten an diesem vierten Brosnan-Bondfilm ist wohl, dass er nicht nur Brosnans Bond nachhaltig in unguter Erinnerung ließ, sondern auch das Konzept eines leichter konsumierbaren Larger-than-Life-Bondfilms versenkte. Gerade diese Bondfilme waren bei aller Kritikerschelte immer sehr attraktiv für ein adultes Publikum.
Die letzten Worte am Ende des Abspanns von DIE ANOTHER DAY sind - in einer fast metaphysischen Selbsterkenntnis - I need to lay down, und genau das tat die Filmreihe dann auch.
Gefühlt: 5/15
Errechnet: 8,28/15
Also 60 % und eine 3: Die Leistungen entsprechen den Anforderungen im Allgemeinen.
James Bond will return in
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