Donnerstag, 4. April 2019

Bond 25 - Eine Theorie

Die Dreharbeiten zum neuen Bondfilm sind im kalten Norwegen mittlerweile in der heißen Phase angekommen (siehe hier, Spoilerwarnung!) Weitergehen soll es in Italien - hier speziell in Matera, Griechenland sowie erstmals seit LIVE AND LET DIE 1973 wieder Jamaika, dem Geburtsort von James Bond.

Die übliche Pressekonferenz zu Beginn der Dreharbeiten ist allerdings noch nicht in Sicht. Auch ein Bild mit einer Filmklappe, die es bei den Drehs der letzten Bondfilme bei jedem neuen Drehort gab, ist nicht aufgetaucht. Scheinbar hält man sich mit Details diesmal mehr zurück als sonst.

Spekulationen zur Handlung sind für eine Seite wie diese immer etwas heikel und können nach hinten losgehen, wenn sie sich als falsch erweisen. Trotzdem möchte ich hier mal eine Theorie darstellen, die ich auch für recht reizvoll halte, und für die es aus meiner Sicht auch einige Indizien gibt. Je nachdem, wie richtig sie liegt, könnte sie Spoiler enthalten.






Im Vorfeld der Produktion von SPECTRE gab es einige Meldungen, dass der 24. und der 25. Eon-Bondfilm ähnlich wie LORD OF THE RINGS am Stück gedreht werden sollten, wobei Bond 24 mit einem Cliffhanger geendet hätte. Wegen der doppelt strapaziösen Dreharbeiten soll dann Daniel Craig ein Veto dagegen eingelegt und veranlasst haben, dass Bond 24 - also der spätere SPECTRE - ein Ende erhält, das im Falle seines Ausstieges auch für sich allein stehend funktionieren würde.

Das Ende von SPECTRE wäre demnach ein nachträglich umgeschriebener Kompromiss, der ursprünglich so nicht geplant war. Da der Film bis zum Aufeinandertreffen von Bond und Blofeld tatsächlich recht stimmig ist und funktioniert, und danach seltsam improvisiert wirkt, ist das für mich durchaus plausibel. Und ich glaube auch, dass man den ursprünglichen Plan für Bond 25 als direkte Fortsetzung trotz dieses Endes nicht aufgegeben hat.

Nach SPECTRE war ein Ausstieg von Daniel Craig dann tatsächlich mehrmals im Gespräch, und interessanterweise tauchten zwei Kandidaten auf, die Craig optisch relativ ähnlich sehen und seinen Bondtypus hätten fortsetzen können: Tom Hiddleston und James Norton. Es wäre zwar ein unbefriedigender Kompromiss gewesen, bei einer direkten Fortsetzung aber auch ein notwendiger. Ein Festhalten am ursprünglichen Plan, dass Bond 25 die Story von SPECTRE direkt fortführt, könnte auch erklären, warum Danny Boyle letztendlich ausstieg - falls er eine eigenständige Geschichte plante und die Produzenten diese entgegen seinen Vorstellungen mit den bisherigen Story-Plänen verknüpfen wollten.

Wie könnte aber nun dieser über zwei Bondfilme reichende Storybogen genau aussehen? Dazu habe ich eine Theorie: Wie in den Filmen CASINO ROYALE und QUANTUM OF SOLACE dargestellt wurde, ist es eine bevorzugte Strategie der Organisation Quantum/SPECTRE, Agenten über eine sogenannte Romeo- oder Venus-Falle zu rekrutieren. Dabei wird ein Agent des anderen Geschlechts auf die Zielperson angesetzt, die ein Liebesverhältnis aufbaut und die Zielperson damit erpressbar und manipulierbar macht.

Das hatte man bei Vesper Lynd erfolgreich praktiziert, und Vesper danach mit dem selben Ziel auf Bond angesetzt. Doch sie hat mit ihrem Opfer diesen Teufelskreis durchbrochen. "Hätte sie sich nicht umgebracht, hätten wie Sie jetzt auch", sagt Mr. White in QUANTUM OF SOLACE.

Zu Bond 25 hieß es in vielen Meldungen, dass man sich an FROM RUSSIA WITH LOVE orientiere. In diesem Film von 1963 rächt sich SPECTRE an Bond, indem man eine klassische Venus-Falle auf ihn ansetzt (im Roman ist es Smersh). Könnte es also sein, dass Madeleine das vollenden soll, wobei Vesper "versagt" hat?

Im Trailer und in der Werbung zu SPECTRE hat man durch die Musik und dem Motiv eines Einschussloches gezielt Erinnerungen an ON HER MAJESTY'S SECRET SERVICE geweckt und damit suggeriert, dass Madeleine eine potentielle Tracy ist und von Blofeld aus Rache ermordet werden könnte. Wenn man SPECTRE allerdings unter der Prämisse sieht, dass Madeleine Bond gezielt in eine bestimmte Richtung lenken will, ergibt vieles einen Sinn. Zumal sie eine erfahrene Psychologin ist.

Sie weckt ähnlich wie Elektra in THE WORLD IS NOT ENOUGH gezielt Beschützerinstinkte bei Bond, und pflanzt geschickt einen nagenden Gedanken in seinen Kopf: Ist dieses Leben wirklich sein Schicksal? Oder könnte er sich auch bewusst dagegen entscheiden? Schon der Titelsong beschwört diese Frage.

Könnte es sogar sein, dass Madeleine nicht wie Vesper nur ein Werkzeug ist, sondern der eigentliche Drahtzieher? Diese Idee erinnert ebenfalls an THE WORLD IS NOT ENOUGH, für das das Autorenduo Neil Purvis und Robert Wade ihr erstes Bonddrehbuch verfassten. Doch der 1997er Film blieb in vielen Aspekten unbefriedigend, und bereits in SKYFALL wurden Teile davon konsequenter umgesetzt.

Madeleine Swann arbeitet in einer Klinik auf einem Alpengipfel - wie Blofeld. Zweimal sieht man, wie sie eine Jalousie herunterfährt, die ihren Oberkörper und ihr Gesicht verdeckt, was an Blofelds Auftritt in der SPECTRE-Konferenz in THUNDERBALL erinnert. Im Gespräch mit Bond erzählt sie, dass Oberhauser/Blofeld sie einmal zuhause besucht habe. Und Mr. White sagt, dass Oberhauser überall sei, "am Tisch mit Ihrer Familie, im Bett mit Ihrer Geliebten". Hatte man schon auf Mr. White vor langer Zeit eine Venus-Falle angesetzt, um ihn für die Organisation zu rekrutieren? Hat Oberhauser/Blofeld Whites Frau vielleicht sogar schon früher besucht und ihm mit Madeleine ein Kuckucksei ins Nest gelegt? (Cuckoo!) Und hat Madeleine irgendwann von ihrem wahren Vater erfahren, und von Whites Geliebten, und sich dann zusammen mit Oberhauser/Blofeld gegen Mr. White gewandt?

Falls dem so ist, hat man mit der Besetzung von Lea Seydoux und Christoph Waltz den Zuschauer unterbewusst sehr clever auf eine falsche Fährte gelockt, denn man verbindet beide mit INGLOURIOUS BASTERDS, wo Waltz' Charakter ebenfalls bei der Familie von Seydoux' Charakter auftaucht und sich als Bedrohung erweist.

Interessant ist in dem Zusammenhang auch die Folterszene. Oberhauser/Blofeld erklärt Bond, dass er sein Gehirn manipulieren werde, so dass Madeleine für ihn nur eine von vielen Frauen sein wird - also eigentlich genau das, was in fast jedem Bondfilm der Fall ist. Bond kämpft dann unter enormen Schmerzen gegen genau diese Vorstellung an, und ist erleichtert, Madeleine noch erkennen zu können. Er betrachtet es danach also als Gewinn und Glück, dass Madeleine für ihn etwas besonderes ist.

Am Ende von SPECTRE geht der von Madeleine eingepflanzte Gedanke, dass Bond seinen Job auch aufgeben und ein anderes Leben wählen könnte, auf, und Bond folgt seiner vermeintlichen Willensfreiheit. Madeleine betrachtet ihren "Patienten" lächelnd. SPECTRE wäre damit vorerst am Ziel und hätte bei Bond erreicht, womit man in CASINO ROYALE noch gescheitert ist. In Bond 25 wäre er durch Madeleine manipulierbar, ohne es zu wissen.

In der Facebook-Gruppe Real James Bond Fans with Love wurde vor kurzem die sehr reizvolle Theorie geäußert, dass der von Rami Malek verkörperte Gegenspieler Yusef Kabira ist, der "Romeo" von Vesper, der in QUANTUM OF SOLACE von Simon Kassianides verkörpert und am Ende verhaftet wurde. Dass er mit operiertem Gesicht wieder auftaucht, um vermeintlich Rache zu nehmen, in Wirklichkeit aber um Bonds Angst um Madeleine zu verschärfen, würde in diesem Szenario absolut Sinn ergeben. Auch der Handlungsort Tunesien, der durch Matera dargestellt werden soll, würde als Aufenthaltsort von Yusef passen.


So viel zur Spekulation. Sicherlich wird alles ganz anders kommen, und viele Fans werden diese Option wohl auch hassen - nicht zuletzt weil sie an einen bestimmten Roman von John Gardner erinnert. Aber Spekulation ist für mich nun mal auch ein großer Teil der Vorfreude. Und falls man diesen Weg doch überzeugend geht, hätte es für mich auch den Vorteil, dass zahlreiche Schwächen von SPECTRE nachträglich einleuchtender wären.

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