Dienstag, 9. April 2019

Landung in den Siebzigern

                                          "Men are mere mortals who
                                   Are not worth going to your grave for."
                                                                                                 (Diamonds Are Forever, Shirley Bassey)




Bond-Marathon #7: DIAMONDS ARE FOREVER (1971)


Diamantenfieber, Moonbuggy und SherryEON, we have a problem! Nach dem Ausstieg von Sean Connery mitten im Franchise-Höhenflug, den etwa um die Hälfte eingebrochenen Einspielergebnissen und den eher verhaltenen Kritiken zu ON HER MAJESTY'S SECRET SERVICE stand die Frage im Raum, ob James Bond in den 1970ern noch zeitgemäß ist. Man reagierte vor allem mit zwei Strategien auf diese partielle Verfinsterung: Zum mit einer deutlichen Fixierung auf den US-Markt. Um ein Haar wäre sogar 007 selbst amerikanisiert worden, mit John Gavin, der bereits einen unterschriebenen Vertrag hatte. Zum anderen mit einer ebenfalls deutlichen selbstironischen Distanzierung.

GOLDFINGER-Regisseur Guy Hamilton sollte 007 wieder in vertraute Sphären steuern.





DIAMONDS ARE FOREVER kulinarisch

Diamantenfieber, SherryDie Briefing-Szene erinnert dementsprechend stark an die von GOLDFINGER, wo M Bond und dem Goldexperten Smithers einen Cognac anbietet, den Bond als nicht gut genug klassifiziert. In DIAMONDS sind Bond und M bei dem Diamantenexperten Sir Donald Munger zu Gast, der ihnen Sherry serviert. Bonds gustatorische Fähigkeiten werden hier auf die Spitze getrieben, wenn er den Jahgang des Weines erkennt, auf dem der Sherry basiert. Beim Solera-Verfahren dürfte das nicht einfach sein, denn hier durchläuft der Sherry mehrere Reihen von Fässern, wobei in der oberen Reihe stets junger Wein nachgefüllt wird. Vielleicht hat 007 ja den absoluten Geschmack, ähnlich dem absoluten Gehör.

Die Endszene weckt dagegen Erinnerungen an FROM RUSSIA WITH LOVE, wo Bond aufgrund der falschen Weinwahl des Gegenspielers skeptisch wird. Er stellt Mr. Wint und Mr. Kidd eine Falle in Bezug des von ihnen angebotenen Château Mouton Rothschild. Dazu servieren die beiden Hobby-Kellner "Oysters Andaluz, shashlik, tidbits, prime rib au jus, Salade Utopia, and for dessert... a bombe surprise".


Im Vorfeld: Auf welche Elemente freue ich mich? Auf welche nicht? 

DIAMONDS ARE FOREVER hat drei Aspekte, die ich sehr gelungen finde. Zum einen das amüsant-sadistische Killerpärchen Mr. Wint und Mr. Kidd (Bruce Glover und Potter Smith), die zu meinen Lieblings-Henchmen gehören. Es gibt sehr kreative Todesfallen, sogenannte 'Snakepit'-Situationen. Dann das von der Biographie des Filmemachers und Erfinders Howard Hughes inspirierte Konzept, dass Blofeld das Imperium eines zurückgezogen lebenden Milliardärs benutzt (mehr zu diesem Thema hier). Und schließlich die Idee eines weltraum-basierten Killersatelliten, die auch in späteren Bondfilmen recycelt wurde. Auch Musik und Produktionsdesign setzen Akzente, sowie ein morbider Humor.

Auf der anderen Seite lauert leider vieles, das hier mittelmäßig bis ungenügend ist. Barbara Broccoli sagt im Dokumentarfilm EVERYTHING OR NOTHING über NEVER SAY NEVER AGAIN (Sag niemals nie, 1983), dass die Macher mit diesem Konkurrenz-Bondfilm scheinbar dachten, dass Sean Connery allein für einen guten Bondfilm ausreicht. Das trifft aber für mich wesentlich mehr auf Diamantenfieber zu. Nach der Rekordgage für Connery war hier scheinbar nicht mehr all zu viel für Action und Effekte übrig. 

Vor allem innerhalb der chronologischen Reihenfolge der Bondfilme wirkt DIAMONDS ARE FOREVER wie ein filmischer Stinkefinger gegenüber ON HER MAJESTY'S SECRET SERVICE. Als ob man auf einer Party eine peinliche Szene durch Sarkasmus zu überspielen versucht. Das wirkt auf mich immer etwas unangenehm, zumal der Vorgängerfilm in vielen Aspekten deutlich besser ist.


Bewertungen:

Einführungssequenz / Vortitelsequenz: 5/15

Männer in Kartoffelpüree... Na ja. Für mich eine der weniger gelungenen Pre-titles des Franchises. Immerhin ist man für die Begegnung zwischen Bond und Marie extra an die Cote d'Azur gereist.
Titelmusik: 11/15
Ein ganz guter Titelsong, kühl und sexy. Der zweite Einsatz von Shirley Bassey.
Titelanimation: 11/15
Solide Maurice-Binder-Arbeit.
Symbiose aus Musik und Animation: 11/15


Allow me to intruduce myself...

Einführungsszene von Bond: 8/15
Ganz okay. Ursprünglich war die Szene am Strand etwas ausführlicher. Im Trailer zum Film sieht man hier die Beine von Bond, der den Strand von einem Felsen aus beobachtet.
Einführungsszene des Haupt-Bondgirls: 8/15
Nach den liebevollen Szenen der 1960er weniger beeindruckend.
Einführungsszene des Gegenspielers: 9/15
Erstmals seit FROM RUSSIA WITH LOVE wieder in der Vortitelsequenz, wie auch in den nächsten beiden Guy-Hamilton-Filmen. 
Einführungsszene des Haupt-Henchman: 15/15
Dieser Punkt ist ausnahmsweise über Durchschnitt. Wint und Kidd sind einfach Kult.


Darstellung von James Bond: 8/15

Für viele Fans mag das Blasphemie sein, aber das hier ist für mich eine der weniger attraktiven Auftritte von Bond. Connery ist sich selbst genug. Man ruht sich auf den Lorbeeren seines Namens aus und parodiert die frühen Filme, ohne deren Glanz und Glorie zu erreichen. Sicherlich hat er mit dieser Ironie den Weg für Roger Moore freigemacht, aber es funktioniert für mich einfach nicht so richtig.


Gibt es Szenen, in denen Bond weniger sympathisch erscheint? Teilweise im Umgang mit Frauen. Gar nicht mal das Würgen von Marie, eher die etwas herablassende Art gegenüber Plenty.



Darstellung des Gegenspielers: 10/15

Obwohl dieser Blofeld natürlich schon einen Rückschritt gegenüber dem Vorgänger darstellt, finde ich Charles Gray's Darstellung ganz amüsant, und innerhalb dieses Films auch funktionierend. Scheinbar fand Hamilton die Figur - wie auch das gesamte Franchise zu diesem Zeitpunkt - hoffnungslos anachronistisch, und gab sich gar keine Mühe, hier einen stringenten Charakter darzustellen. War Blofeld im vorigen Film beispielsweise noch aktiv im Labor tätig, hat er hier keinen Schimmer von Wissenschaft.

Henchmen: 15/15

Einer der wenigen unzweifelhaften Höhepunkte des Films. Wint und Kidd sind mit ihrer Hinterlist eine erfrischende Abwechslung von den blonden wortkargen Hünen.
Bondgirl: 5/15
Jill St. John macht mich irgendwie überhaupt nicht an. 
Helfer: 7/15
Diamantenfieber, Blofelds Mini-U-Boot
Blofelds Mini-U-Boot
Norman Burton ist der onkel-hafteste und belangloseste Felix Leiter überhaupt. Man hätte den Mann auch Smith oder Jones nennen können. Willard Whyte ist mit dem Musiker Jimmy Dean etwas markanter besetzt, neigt aber etwas zum Over-acting.
Briefing-Szene: 11/15
Durch die Zwischenschnitte auf Wint und Kidd, die die 'Pipeline' schließen, ganz witzig und unterhaltsam.
Moneypenny-Szene: 9/15
Moneypenny sieht in Uniform recht schnittig aus. Dass sie sich von Bond einen Ring als Mitbringsel wünscht, kann man ihr innerhalb dieses "Drehbuchs" wohl nicht anlasten. Bond leidet ja eh an emotionaler Amnesie.
Q-Szene: 8/15
Auch hier gibt es keine klassische Ausrüstungsszene. Q ist kurz im Labor zu sehen, das in der Fabrik von Aston Martin in Szene gesetzt wurde, und später in einer Casino-Szene. Nett.


Dramaturgische Struktur

Ist das auslösende Ereignis stark und interessant genug? 7/15

Der Film folgt wie viele andere Bondfilme eher einem Schneeball-Prinzip, bei dem sich ein kleiner und scheinbar eher banaler Zwischenfall letztlich zu einer globalen Bedrohung ausweitet. Dass das auslösende Ereignis - der Diamantenschmuggel - nicht spektakulär ist, macht es insofern nicht automatisch schlecht. Aber eben auch nicht sonderlich gut.
Hält der Film durchgehend eine gewisse Grundspannung aufrecht? 9/15
Es gibt durchaus Szenen, die auf Suspense setzen, wie der Ausbruch von Peter Franks oder die Kletterei am Penthouse. Insgesamt steht Spannung aber nicht im Vordergund.
Finale allgemein: 5/15
Erinnert mit einer eher öden und industriell wirkenden Location und überraschungsfreier Pyrotechnik ein bisschen an die spätere Brosnan-Ära.
Gibt es eine Steigerung des Sensationswertes bis hin zum Finale, das alles andere überschattet? 8/15


Endkampf Bond - Henchman: 12/15

Ganz amüsant, wobei ich das Ende von Mr. Wint leicht unangenehm übertrieben finde.
Endkampf Bond - Schurke: 9/15
Bei Blofeld immer schwierig zu beurteilen. Die Idee, das Mini-U-Boot als Abrissbirne zu benutzen, ist nett.
Wirkt die Auflösung nach dem Finale befriedigend? 9/15
Die unerwartete Rache der Henchmen ganz am Ende ist an sich eine sehr schöne und vom Roman übernommene Idee, die Hamilton auch in seinen beiden folgenden Bondfilmen variiert. Etwas getrübt wird das Ganze durch den übertriebenen Tod von Mr. Wint und die dümmliche Anspielung auf einen Heirats-Antrag durch Tiffany.
Ist Bonds ermittlerische Vorgehensweise glaubwürdig und zielführend? 10/15
In der ersten Hälfte durch die übernommene Identität von Peter Franks ganz gut. Danach geht es so. Auf Blofelds Bohrinsel kommt Bond nur, weil Blofeld offenbar ein Modell derselben gebastelt hat.


Allgemein


Bond-Feeling: 11/15
Fleming-Feeling: 8/15
In der ersten Hälfte sogar ein bisschen vorhanden.
Dialoge/Humor: 11/15
Teils sehr pointiert und ironisch - "Die Kinder werden begeistert sein!" Teils aber auch bisschen seltsam und übertrieben macho-haft.
Spannung: 9/15
Logik/Schlüssigkeit der Story: 7/15

Der Ansatz, dass Blofeld das Firmen-Imperium eines Milliardärs unterwandert, ist recht clever und wirkt plausibel. Dadurch muss er nicht wie noch in YOU ONLY LIVE TWICE sein Raumfahrtprogramm von den Spectre-Spesen bestreiten. Die Idee des Lasersatelliten ist an sich auch nicht schlecht, wenn auch so nicht machbar. Mal abgesehen davon, dass Laser eher durch Rubine erzeugt werden.

Produktions-Design: 13/15

Ken Adam ist immer sehenswert. Das Penthouse in Las Vegas ist beispielsweise phantastisch. Man merkt bei Adam vor allem bei den phantastischeren Filmen jedoch immer auch einen Hang dazu, technische Gegebenheiten zu ignorieren. So hat der Laser-Satellit beispielsweise keine erkennbare Energiequelle, und auch das Mondmobil sieht nicht wirklich mondtauglich aus.
Spezialeffekte: 5/15
Teilweise etwas grottig und auf dem Niveau japanischer Monsterfilme. Nur vereinzelt gibt es Höhepunkte, wie das Matte Painting des Whyte House oder der Modell-Hintergrund von Las Vegas bei Bonds Kletterei.
Action/Stunts: 4/15

Gemächlich, behäbig, träge, ... Wie der ganze Film. Sogar die Verfolgungsjagd in DR. NO ist aufregender. Gibt es sowohl im Vorgänger- als auch im Nachfolger-Film halsbrecherische Actionszenen, die den Darstellern einiges abforderten, war Connerys größte Anstrengung hier scheinbar, den Bauch einzuziehen, damit nicht die Knöpfe vom Smoking fliegen.
Selbst den einen "großen" Stunt, den gefühlt schon Buster Keaton aufregender vorführte, verkackt die Crew mit einem der hirnrissigsten Filmfehler der Filmgeschichte. 
Bildgestaltung: 7/15



Locations

Drehorte: 13/15
Lokalkolorit: 13/15
Kombination: 12/15

Bruce Glover und Potter Smith as Mr. Wint und Mr. Kidd
Bruce Glover und Potter Smith in Amsterdam
(niederländisches Nationaal Archief)

Selbst die schwächeren Filme der 60er und 70er können auf diesem Gebiet souverän punkten. Amsterdam ist schön eingefangen, auch die location-technisch immer etwas abgenutzten Staaten. Vor allem natürlich Las Vegas und einige reale Orte, wie das Beerdigungs-Institut oder das Elrod House, das Adam nicht phantastischer hätte entwerfen können. 

Musik

Titelsong: 11/15
Allgemein: 12/15


Auch hier ist der Film solide. John Barrys Musik enthält einige Highlights, etwa wenn Bond zum Versteck von Willard Whyte geht. Die dramatische Untermalung der Krematoriumsszene mit Chor - Slumber, Inc. - ist eines meiner Lieblingstracks im gesamten Franchise. Das Theme für Wint und Kidd ist ebenfalls sehr schön. Was waren das noch für Zeiten, als Henchmen eigene Themen bekamen...


Fazit - Gewonnen oder verloren?

Die Landung im neuen Jahrzehnt ist dem Film insofern geglückt, dass man die ironischere Tonalität fand, die man bis MOONRAKER beibehalten sollte. Die 70er begannen sozusagen mit einem augenzwinkernden Griff nach dem Mond und endete auch damit. Erst Anfang der 1980er besann man sich dann wieder auf die ursprünglichen Qualitäten.


Dass man sich für einen eigenständigen Film entschieden hat, der den Vorgänger nicht nur ignoriert, sondern sich teilweise auch über ihn lustig macht, ist wohl der damaligen Zeit geschuldet. Auch wenn man dadurch ein enormes Story-Potential verschenkt hat.

Insgesamt ist es für mich die erste große Ernüchterung, der erste deutliche Qualitäts-Absturz innerhalb der Reihe. Gefühlt eine etwas bessere Vier. Einige wirklich gelungene Highlights lassen den Film aber im Ergebnis ganze zwei Noten nach oben rutschen, mit einer knappen Zwei minus. Insofern hat der Film doch um einiges gewonnen.

Gefühlt: 6/15
Errechnet: 9,62/15

Alsozwischen 65 und 70 % und eine aufgerundete 2-: Die Leistungen entsprechen den Anforderungen im Allgemeinen bis voll.



James Bond will return in


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen