Freitag, 22. Juli 2016

Bourne to be Bond

Der neue Jason-Bourne-Streifen mit dem Titel JASON BOURNE steht ins Haus, und so verwundert es nicht, dass sich sowohl Regisseur Paul Greengrass als auch Bourne-Darsteller Matt Damon in Interviews auch zum Bond-Franchise geäußert haben. Beide nicht besonders positiv, was sicher zum Teil auch daran liegt, dass die Frage nach Bond wohl in fast jedem Interview auftaucht und irgendwann nervt, wenn man eigentlich ein Konkurrenz-Produkt vermarkten will.

Die Aussagen von Greengrass und Damon werfen, obwohl sie etwas fragwürdig sind, interessante Fragen zum Franchise auf.




Matt Damon sagte zum Thema Bond: "Ich mag Bourne lieber als Bond. [Was sicher logisch ist, wenn man ihn spielt.] Bourne verkörpert moderne Werte - Bond die aus den 1960er Jahren. Daniels Bond hat ihn ein bisschen aufgewertet und ihn mehr in die Gegenwart katapultiert, aber klassischerweise ist der Charakter ein Frauenfeind, der gerne Martinis schlürft und Leute umbringt - was ihm total egal ist. Bourne dagegen ist ein Serien-Monogamist - und er quält sich für die Dinge, die er getan hat. Zudem empfindet er Empathie und Mitleid für andere Leute. Und natürlich würde er einen Kampf gegen Bond gewinnen."

Worum es in JASON BOURNE geht und welche Zielgruppe anvisiert wird, zeigt der Trailer recht deutlich: Bourne schlägt und schießt mit nacktem, muskulären Oberkörper Gegner nieder. Action eben, wie sie ein junges, männliches Publikum mag. Die meisten werden in den Film gehen, um Bourne als 'perfect weapon' siegen zu sehen, nicht um ihn nach einem Mord nachdenklich am Fenster stehen zu sehen. Gewalt wird einerseits kommerzialisiert und ästhetisiert, gleichzeitig aber aus Publicity-Zwecken kritisiert. Diese Doppelmoral erkennt man schon am letzten Satz, Bourne würde gegen Bond gewinnen. Er ist also ein besserer Kämpfer und Killer, aber gleichzeitig ein besseres Vorbild für heutige Männer, weil er nach jedem Kampf ein paar Krokodils-Tränen über seine Opfer vergießt und "sich quält". Ein beeindruckendes Beispiel für die typische Hollywood-Moral - eine riesige Party geben, auf der man sich über Alkoholmissbrauch echauffiert.

Da frage ich mich, was ehrlicher ist: Wenn Sean Connery oder Roger Moore einen Schurken mit einem ironischen Oneliner und gehobener Augenbraue in die Ewigkeit schicken, oder wenn ein Auftragskiller, dessen Ausbildung trotz allem als Coolness inszeniert wird (und der in dem Punkt offensichtlich auch mit dem Bond-Franchise konkurrieren will), nach jedem Gewaltakt plakativ erschrocken ist.

Abgesehen davon haben (vermeintlich) kaltschnäuzige Helden eine ebenso lange Tradition wie empathische, von Philip Marlowe und Dirty Harry und Dr. House bis hin zu Deadpool. Sie haben ihre eigene Faszination und auch ihre eigene Berechtigung. Winnetou ist aufgrund seiner Aufrichtigkeit sicher kein faszinierenderer und vielschichtigerer Charakter als Harry Callahan. Dass Bond nicht ganz aus Stein ist, zeigt sich in vielen Romanen und Filmen sehr deutlich. Und dass Craigs Bondfilme die Figur aus den 1960ern "ein bisschen aufgewertet" haben ist angesichts ihres Erfolges auch eine etwas seltsame Untertreibung. Jason Bourne ist immerhin selbst eine Figur von 1980, ebenfalls aus der Phase des Kalten Krieges und über 35 Jahre alt.

Ähnlich äußerte sich auch Regisseur Paul Greengrass, dem eigenen Angaben zufolge auch schon die Regie eines Bondfilms angeboten wurde: "Ich persönlich sehe in den Bondfilmen Werte über Grossbritannien, über die Welt, Männlichkeit und die Macht vermittelt, die ich nicht teile. Ganz im Gegenteil. Bourne ist dagegen in Skepsis verankert. Es gibt die und es gibt uns. Und Bourne ist einer von uns, während Bond für die arbeitet. Und als Junge, der früher in der Klasse immer gern mit Brötchen geworfen hat, gehöre ich sicherlich zu denen, die auf der Seite von Bourne stehen."

Eine ähnliche Kritik habe ich mal zu Star Trek im Gegensatz zu Star Wars gelesen. In Star Trek sind im Prinzip die "Staatsdiener" die Helden, die Beamten, die Offiziere und die militärischen Befehlsempfänger. Vertreter des offiziellen Systems, während es in Star Wars die Rebellen sind, die gegen das "offizielle System" aufbegehren. "Die" und wir. Sicher ist es auch kein Zufall, dass Bond und Star Trek aus den Sechzigern stammen, während Bourne und Star Wars deutlich von den weltgeschichtlichen Umbrüchen nach Vietnam gekennzeichnet sind.

Die Frage ist in diesen Filmen nur: Ist das 'offizielle System' aus Prinzip schlecht? Was ist, wenn in Star Wars die Rebellen gewinnen und ihr eigenes 'offizielles System' aufrichten? Oder wenn alle Bournes dieser Welt alle bösen Politiker und Geheimdienstleute beseitigt haben? Würde Bourne dann nicht losgehen, um jemanden wie Goldfinger unschädlich zu machen? Unter der glitzernden Oberfläche von Girls und Martinis ging es auch bei Bond immer gegen antisoziale Persönlichkeiten, die ihre Macht aus ihrem Reichtum herleiteten. "In Skepsis verankert" zu sein bedeutet hier letztlich, in pubertärem Rebellentum zu stagnieren. Brötchenwerfen forever.

Diese Aussagen belegen aber auch, dass Bond von manchen Leuten immer als "Frauenfeind" oder "Staatsterrorist" wahrgenommen werden wird, wie es der Filmkritiker Georg Seeßlen ausdrückt. Egal, ob er eine Frau als Boss respektiert, um eine geliebte Frau trauert, seinen besten Freund rächt oder von den eigenen Leuten fast erschossen wird und mit seinem Beruf hadert. Man kann nie genug Weihrauch auf dem Altar der 'Political Correctness' darbringen, und es stellt sich die Frage, ob Bond als Filmfigur solchen Vorstellungen von 'Modernität' wirklich immer hinterher laufen muss. Eine große Portion Eskapismus und Selbstironie halte ich da eher für existentiell wichtig.

In Deutschland startet JASON BOURNE übrigens am 11. August.

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