Eigentlich sollte der Casting-Prozess kein derartig weltbewegender Prozess sein. Die Vorgaben für die Rolle werden in den Romanen gemacht und sind relativ klar umrissen. Damit wäre dann ein Zurück zum Ursprung gegeben - etwas, was die Bondreihe bisher fast immer bei einer Neubesinnung gemacht hat, und das sehr erfolgreich. Zuletzt mit Casino Royale. Aber auch andere Aussagen von Broccoli lassen erahnen, dass man mindestens eine Franchise-Pause wie die zwischen Lizenz zum Töten und GoldenEye oder den letzten beiden Craigstreifen erwarten sollte.
Barbara Broccoli scheint die Frage überhaupt eher als lästig zu empfinden: "I'm just here celebrating one of the greatest actors on the planet, Daniel Craig." Als ob dieser Superlativ noch nicht genügt, folgt kurz darauf: "He's just the greatest actor ever." Daniel Craig ist also laut Aussage von Broccoli der größte Schauspieler aller Zeiten. Noch vor Laurence Olivier, Marlon Brando, Daniel Day-Lewis oder Gary Oldman. Dementsprechend brachte sie vor einiger Zeit ihren Unmut zum Ausdruck, dass Craig bei den Academy Awards nicht einmal nominiert wurde. (Nicht dass Oscars der ultimative Gradmesser dafür sind, aber die genannten vier Schauspieler hatten in dem Alter, in dem Daniel Craig jetzt ist, jeweils mindestens einen davon.)
Mal abgesehen davon kann man sich bezüglich des Franchise' mehrere Fragen stellen: Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Produzent, der gerade den für ihn "besten Schauspieler aller Zeiten" in einer Rolle verabschieden musste, überhaupt ausreichend motiviert ist, jemand neues für diese Rolle zu suchen? Vor allem in Anbetracht dessen, dass er grundlegende Prinzipien des Franchise gerade für diesen Schauspieler geopfert hat? Und wie sinnvoll und aussichtsreich ist es, überhaupt über eine Neuausrichtung nachzudenken, wenn man die bisherige Ausrichtung für absolut perfekt hält?
Jedes mal, wenn sich die Bondreihe bisher selbst neu erfunden hatte, ging das mit einer kritischen Reflektion der letzten Filme einher. Nach stark science-fiction-lastigen Beiträgen wie Man lebt nur zweimal, Moonraker oder Stirb an einem anderen Tag besann man sich auf die Atmosphäre der Romane und frühen Filme; nach weniger erfolgreichen Drama-Bonds wie Im Geheimdienst Ihrer Majestät oder Lizenz zum Töten umgekehrt auch wieder auf das Phantastischere. Dieses zyklische Pendeln innerhalb einer enormen Bandbreite war sicherlich kein geringer Beitrag zum jahrzehntelangen Erfolg der Reihe. Seit 2006 gab es dagegen nun 15 Jahre lang Dauer-Drama, und da man das trügerische Motto "Der Erfolg gibt ihnen recht" verinnerlicht zu haben scheint, wird sich daran wenig ändern.
Alle Aussagen Broccolis deuten sehr stark darauf hin, dass nach Craig überhaupt mit der Bondreihe weiterzumachen eine reine Pflichtübung ohne jegliche Leidenschaft ist. Und das ist letztlich auch logisch, denn jede Option dazu würde die Wirkung dieses filmischen Denkmals, das man dem nun offiziell größten Bonddarsteller aller Zeiten versucht hat zu setzen, schmälern. Selbst wenn der nächste Darsteller eine jüngere Version von Craigs Bond sein sollte. Nur wenn die 'offizielle' Eon-Bondreihe mit "Keine Zeit zu sterben" enden würde, hätte man die maximale Würdigung für Daniel Craig. Ich denke daher, dass diese Option mindestens einmal ernsthaft im Raum stand, wenn auch nur in Gedanken. Und wie das so ist mit lästigen Pflichten, selbst wenn man sie ernst nimmt, ist man bewusst oder unterbewusst doch dankbar für alle Umstände, die einen daran hindern. Wie schnell die Jahre ins Land ziehen mit alternativen Film- und Theaterprojekten, künstlerischen Differenzen und anderen Widrigkeiten hat man zwischen den letzten beiden Eon-Produktionen feststellen können.
Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird der früher so unverwüstliche Super-Agent nach seinem erzwungenen Ableben daher wohl überdurchschnittlich lange im filmischen Limbus zwischen 'production hell' und grünem Licht verweilen müssen. Vielleicht so lange, bis die Umstände eine echte kreative Veränderung erzwingen.
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