Sonntag, 7. Februar 2021

Liebe und Diamanten

Kaum zwei Bondfilme sind so unterschiedlich wie ON HER MAJESTY'S SECRET SERVICE (Im Geheimdienst Ihrer Majestät, 1969) und DIAMONDS ARE FOREVER (Diamantenfieber, 1971). In fast allen Aspekten sind beide Filme von einem fast größtmöglichen Gegensatz geprägt. So etwa auch beim Song zum Film. Trägt die warmherzige und lebenserfahrene Stimme von Louis Armstrong mit We Have All The Time in the World eine wunderbare Ode an die Liebe vor, besingt die kraftvolle, junge Stimme von Shirley Bassey in strenger Kühle die Vorzüge lebloser Edelsteine. 

Und doch zeigen beide Lieder eine gewisse psychologische Kontinuität, die sich in den Filmen so nicht zeigt, und die über ein Philosophieren über "Werte für die Ewigkeit" hinaus geht.

Diamonds Are Forever folgt nicht nur vom Gesang und dem Stil her dem Franchise-Evergreen Goldfinger. Auch der Text ist sehr ähnlich und dreht sich um die Liebe zu Luxusgütern. In Goldfinger noch als anormal und gefährlich gebrandmarkt, wird sie in Diamonds Are Forever als Vorzug gepriesen. Wenn auch natürlich auf eine eher ironische und augenzwinkernde Weise. 

Ein derartiges übersteigertes Interesse für leblose Dinge, das das natürliche Interesse an anderen Menschen überschattet, entsteht oft aufgrund von Zurückweisung oder auch traumatischen Erlebnissen. Man kennt das Phänomen von sogenannten Nerds. Kinder, die im Schulleben benachteiligt sind, interessieren sich oft lieber für Technik und Naturwissenschaft als für ihre Mitmenschen. In einer extremeren Form kann es auch zu einer erotischen Ersatz-Liebe zu Objekten führen, wie das bei Auric Goldfinger der Fall war.

Aber es kann in einer milderen Form auch eine Möglichkeit sein, auf eine traumatisierende Erfahrung zu reagieren. Der Text von We Have All The Time in the World beschreibt einen Menschen, der sich voll und ganz auf die Erfahrung der Liebe eingelassen hat und sein bisheriges Leben dafür aufzugeben bereit ist. Die Liebe bietet 'precious things', die alle anderen Werte des Lebens verblassen lassen und die Vergänglichkeit überdauern. 

Diamonds Are Forever sagt eher das Gegenteil aus. Diamanten bieten all das, was der sterbliche, unzuverlässige Mensch nicht vermag. Ihr Funkeln überdauert die Liebe, sie verschwinden nicht einfach mitten in der Nacht oder verlassen einen gänzlich. Es wirkt wie eine Abwehrreaktion, und ist eigentlich sicher als die Sichtweise des klassischen 'Bondgirls' gemeint, das von Bond sitzen gelassen wurde. 

Aber es passt auch auf Bonds Psyche nach dem Mord an seiner Frau im Film davor. Bemerkenswerterweise wird auch am Ende des Films CASINO ROYALE und im Nachfolger QUANTUM OF SOLACE angedeutet, dass Bonds Affinität für Luxus und die angenehmen Seiten des Lebens ein Weg war, mit dem Verlust von Vesper fertig zu werden, und überhaupt mit der psychologischen Belastung seines Berufes. Zu Beginn des Films macht er sich beispielsweise nicht viel aus eleganter Kleidung, trägt den von Vesper ausgesuchten Smoking am Ende dann aber aus Überzeugung.

Auch wenn DIAMONDS ARE FOREVER also den vorhergehenden Film möglichst vergessen machen möchte und dessen Ereignisse auf einer charakterlichen Ebene völlig ignoriert, findet sich immerhin im Titelsong ein dezenter Hinweis auf Bonds menschliche Weiterentwicklung.



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