Freitag, 30. Juni 2017

Ein Held ist nicht genug?

Man kann darüber streiten, was spektakulärer ist: Dass es überhaupt mal wieder ein echtes Gerücht um Bond25 gibt nach der bleiernen Funkstille der letzten Zeit, oder das Gerücht an sich. Es besagt, Eon Productions spiele mit dem Gedanken, das Bond-Franchise zu einem 'Expanded oder Shared Universe' mit Spin-offs etc. pp. auszubauen. Letztendlich basiert das Ganze auf einem Tweet von Jeff Sneider, Filmjournalist bei The Tracking Board. (Allerdings schon am 23. Juni, ist also schon eine Woche alt. Siehe auch hier.) Dort schrieb er: I've heard the Broccolis have caught Universe Fever and would love to explore other corners of the Bond franchise... simultaneously.

In Zeiten, in denen Tweets diplomatische Krisen auslösen können, muss man wohl auch solche Meldungen ernst nehmen. Wäre eine Erweiterung des Bond-Universums um andere Hauptcharaktere und Perspektiven ein sinnvoller und cleverer Weg, das Franchise auch in Zukunft attraktiv und erfolgreich weiterzuführen?




Meine erste Reaktion als langjähriger Fan lässt sich zugegebenermaßen in drei Worte kleiden: Bitte, bitte nicht! Die Probleme fangen schon damit an, wie man das Ganze nennen sollte. Das James-Bond- oder 007-Extended-Universe wäre schon ein Widerspruch in sich, denn es weist im Gegensatz zu Marvel, DC, Star Wars, etc. nicht auf eine Welt, sondern eben einen einzigen Charakter hin. Was dann? The Double-O-Universe? The MI6-Universe? Bewerben müsste man die Ablegerfilme aber letztlich doch mit dem Erfolgslabel Bond.

Problem Nummer Zwei ist, dass es zumindest in der bisherigen Bondwelt keinen anderen Charakter gibt, der sich auf Augenhöhe mit Bond befindet. Moneypenny, Q, M oder Felix Leiter mögen interessant sein - immerhin gibt es Bücher über Moneypenny oder mittlerweile auch Comics mit Leiter als Protagonisten - an die mythische Strahlkraft von James Bond kommen sie bei weitem nicht heran. Was auch nicht weiter stört, denn als Nebenfiguren wurden sie ja konzipiert. Selbst ein jugendlicher Bond steht im übergroßen Schatten seiner erwachsenen Version, wie der eher überschaubare Erfolg der Young-Bond-Bücher zeigt. Mich persönlich würde keiner dieser Charaktere über mehrere Filme hinweg interessieren. Zumal man sie zuletzt auch eher banalisiert hat.

Denkbar wären natürlich auch Origin-Filme um Blofeld und andere Schurken, sowie Spin-offs mit anderen Doppel-Null-Agenten. Letztere könnte man dann als Bond ebenbürtige Helden konzipieren, die ebenfalls regelmäßig die Welt retten. Oder sogar andere, bereits etablierte Charaktere anderer Filme einbringen. Aber letztlich würde man damit auch aussagen, dass Bond gar nicht so außergewöhnlich und toll ist. Man würde eine der erfolgreichsten Filmfiguren überhaupt mit jedem weiteren Helden etwas kleiner und uninteressanter machen; sein bestes Zugpferd systematisch zur Nebenfigur machen. Und da stellt sich die Frage, wie clever das als Geschäftsstrategie ist.

Man könnte einwenden, dass Superman ja beispielsweise auch innerhalb der Justice League noch super ist. Aber ist er das tatsächlich? Macht Henry Cavills Superman noch genauso viel Spaß wie der von Christopher Reeve? Für mich nicht. Ich bin sogar der Meinung, dass man einen so erfolgreichen Charakter wie Batman - der wie Bond eher als einsamer Wolf funktioniert - durch das Kopieren der Marvel-Strategie immer mehr seiner ursprünglichen Faszination beraubt. Der Wert des Außergewöhnlichen besteht nun mal in seiner Seltenheit. In einer Welt wie der des derzeitigen Marvel-Universums wird das Außergewöhnliche immer mehr normal, und damit uninteressant.

Der Reiz bei Bondfilmen ist zudem, dass sie in einer sehr real wirkenden Umwelt spielen. Man kann die Drehorte und Hotels besuchen, die Kleidung, die Autos oder die Uhren kaufen, die Getränke und Gerichte zubereiten. Es gibt keine anderen Planeten oder Dimensionen, keine Superkräfte, keine Roboter oder Mutanten, keine exotischen Phantasiewelten. Das 007-Universum ist zu realistisch, um dazu einzuladen, sich darin zu verlieren. Die Quelle des Außergewöhnlichen ist, vielleicht abgesehen von Qs Gadgets und überlebensgroßen Schurken, vor allem Bond selbst.

Und nicht zuletzt muss man auch sagen, wenn die Broccolis tatsächlich vom 'Universe Fever' angesteckt sind, dann sind sie ganz schöne Spätzünder. Ungehemmte Genre-Parodien wie DEADPOOL und eher düstere Dramen wie LOGAN sind bereits deutliche Kennzeichen einer Spätphase von Marvel. Universals Versuch, mit THE MUMMY ein Monsterverse zu begründen, ist zur Zeit auch eher weniger Erfolg beschieden. 'Shared Universes' sind mittlerweile schon gar nicht mehr das, worauf ein wirklich cleverer Geschäftsmann sein Geld setzen würde.

Man merkt es also bereits: Ich bin eher dagegen. Das heißt allerdings (und leider) nicht, dass ich die Meldung für gänzlich unrealistisch halte. Wenn man die letzten beiden Bondfilme unter diesem Aspekt betrachtet, ergibt der Gedanke durchaus Sinn. Man hat Bonds Kindheit und Jugend etabliert, inklusive einer langjährigen Vorgeschichte von Blofeld, ebenso wie eine private Dimension von M, Moneypenny und Q. Selbst ein nur erwähnter 009 bekommt offenbar einen voll ausgestatteten, neuen Aston Martin. Schon die Craig-Ära würde also für eine Erweiterung grundsätzlich taugen, zumal Bond selbst ja nun offenbar im Ruhestand ist.

Realistischerweise würde die Begründung eines erweiterten Universums wohl auch mit einem Verkauf der Bondrechte und einem Rückzug von Broccoli/Wilson einhergehen, wie das derzeit ebenfalls als Gerücht kursiert. Wenn man schon nur mit Müh und Not alle drei, vier Jahre einen Bondfilm zustande bringt, wird man sich nicht noch weitere derartige Filme aufhalsen. Diese Option halte ich allerdings für mindestens ebenso wenig wünschenswert. Die Bondfilm-Produktion unter Barbara Broccoli und Michael G. Wilson war auch in fragwürdigen Momenten geprägt von dem Respekt gegenüber dem väterlichen Erbe und dem Vermächtnis von Ian Fleming. Im uneingeschränkten Einflußbereich eines US-Studios wäre all das mehr als fraglich.

Andererseits könnte sich alles wie so oft als heiße Luft entpuppen. Es wäre zu hoffen.

1 Kommentar:

  1. Mittlerweile hat Sneider auf seinen eigenen Tweet und das Medienecho darauf reagiert, und es offenbart eine eher merkwürdige Auffassung: https://hmssweblog.wordpress.com/2017/06/30/jeff-sneider-follows-up-on-007-universe-rumor/


    “To me, to have a Bond movie once, I don’t know, once every three or four years in this kind of competitive landscape, you can’t really do that anymore. You have to keep the well going. I don’t know if Bond thinks it’s special.”

    Da stimme ich ihm insofern zu, dass ein Film alle Jubeljahre für Fans nicht wirklich toll ist. Und die Null-Bock-Stimmung bei Eon in Bezug auf den nächsten Bond scheint tatsächlich immer größer zu werden. Aber warum dann nicht einfach wieder einen straffen Zwei-Jahres-Rhythums anstreben - der meiner Meinung nach mit Planung und Leidenschaft absolut zu schaffen wäre - statt sich irgendwelche Moneypenny-Filme aus den Fingern zu saugen?


    “I heard Daniel Craig is coming back but I heard he could be passing the reins to another 007. James Bond is a code name, right? His name actually isn’t James Bond, right?”

    Am besten, man verteilt den Namen "James Bond 007" auf möglichst viele Agenten, darunter auch weibliche, und macht eine große Show draus. Klingt nach "Casino Royale" von 1967, ein Wahnsinns-Erfolg.

    Hier zeigt sich ein grundsätzliches Problem bei vielen "Modernisierungsvorschlägen" zum Bond-Franchise: Sie kommen von Leuten, die es eigentlich nicht mögen, und daher auch nicht wirklich verstehen.

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