Donnerstag, 25. April 2013

Generation Moore

Ein persönlicher Rückblick auf 20 Jahre Bondfan-Dasein

Meinen ersten Bondfilm sah ich mit neun Jahren in einem Schwarz-Weiß-Fernseher. Das war "Man lebt nur zweimal", 1986 im ersten deutschen Fernsehen. Obwohl mich der Film natürlich völlig fasziniert hat, wurde ich erst sieben Jahre und ein paar Bondfilme später zu einem waschechten James-Bond-Fan - im April 1993. Warum erst dann, und was war letztendlich der Auslöser dafür? Und warum heißt dieser Beitrag trotzdem 'Generation Moore'?



In seinem Buch Generation Golf von 2000 beschreibt Florian Illies das Gefühl, am Samstag Abend als frisch gebadeter Zwölfjähriger Wetten, daß ..? zu gucken, wobei schon die Eurovisionshymne zu Beginn zu den Höhepunkten des Wochenendes zählte: "Es war damals selbstverständlich, daß man Wetten, dass ..? mit Frank Elstner guckte, niemals wieder hatte man in späteren Jahren solch ein sicheres Gefühl, zu einem bestimmten Zeitpunkt genau das Richtige zu tun." Obwohl ich die Achtziger auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs verbrachte und das Piratenschiff in der Badewanne eher selbstgebaut als von Playmobil war, kenne ich dieses feierlich-kribbelige Samstag-Abend-Gefühl nur zu gut, und verbinde das vor allem mit den Bondfilmen (die Komödien mit Bud Spencer und Terence Hill oder Louis De Funés zählen vielleicht noch dazu). Man kam tatsächlich immer frisch aus der Badewanne, es gab Salzstangen oder idealerweise Chipsletten, und mein Vater bemerkte bei jeder zweiten Szene, wie wenig das Gezeigte in der Realität funktionieren würde.

Obwohl ich mit dem bereits erwähnten "Man lebt nur zweimal" sowie "Goldfinger" und "Diamantenfieber" auch Conneryfilme sah, konnte ich mit Roger Moore doch wesentlich mehr anfangen. "Der Spion, der mich liebte" und "Moonraker" waren einfach die Bondfilme schlechthin, und in "Octopussy" jagte Bond auch mal durch Karl-Marx-Stadt. Zudem hatte Moore diese wahnsinnig coolen Digitaluhren. In einer Zeit, in der man von Uhren mit Taschenrechner träumte, stellte das jede Rolex in den Schatten. Auch der tauchende Lotus machte auf mich wesentlich mehr Eindruck als der schnöde Aston Martin.

Im Kino lief Bond als Klassenfeind natürlich leider nicht, dafür gab es die Olsenbande, Ray-Harryhausen-Klassiker wie "Sindbads gefährliche Abenteuer" oder Winnetou-Filme. Nach 1989 eröffnete sich dann die große glitzernde Filmwelt außerhalb der DDR-Grenzen, und Videotheken schossen wie Pilze aus dem Boden. Mein Lieblings-Franchise war BACK TO THE FUTURE, zumal man sich als Zwölfjähriger zum ersten Mal in West-Berlin ein bisschen fühlte wie Marty McFly im Hill Valley des Jahres 2015. Dann kam "Star Trek - Das nächste Jahrhundert". Bond hatte 1989 nicht viel zu bieten; sogar GHOSTBUSTERS II erregte eher mein Interesse als LICENCE TO KILL.

Die Kassette des Anstoßes
Die Initialzündung kam schließlich 1993. In Kaufhäusern konnte man CDs anhören, und als Filmfan fiel mir irgendwann die Doppel-CD The Best of James Bond - 30th Anniversary Collection in die Hände. Beim Anhören entfaltete sich plötzlich das Bonduniversum in seiner ganzen Faszination vor meinem geistigen Auge. Mir kamen Szenen in den Sinn wie der finale Fort-Knox-Kampf in GOLDFINGER, die Krematoriumsszene aus DIAMONDS ARE FOREVER, der Titel mit den brennenden Totenköpfen aus LIVE AND LET DIE oder Beißer und Stromberg in THE SPY WHO LOVED ME. Da ich noch relativ weit vom ersten eigenen CD-Player entfernt war, kaufte ich mir die Kompilation zunächst als Kassette. Von da an gab es kein Zurück mehr, und es begann eine Zeit des Sammelns und des regelmäßigen Kopfschüttelns seitens der Verwandschaft.

selbst gebastelte VHS-Cover anno 1993
Ich begann, die Bondfilme im TV aufzunehmen oder als VHS-Kassetten zusammen zu kaufen, und entdeckte auch bald den Buch-Bond. In den lokalen Bibliotheken gab es einige Fleming-Ausgaben, neben den recht reißerisch aufgemachten Romanen von John Gardner. Der erste Fleming war Moonraker (zu deutsch "Mondblitz"), der bis heute mein Lieblingsbondroman ist. Mit den VHS-Kassetten, vor allem mit THE LIVING DAYLIGHTS, der mich nachhaltig beeindruckte, verbrachte ich so manchen Nachmittag nach der Schule. Aus heutiger Sicht hatte diese Zeit die größte Magie - mit dem Entdecken eines dreißigjährigen Franchises und noch nicht gesehen Perlen wie ON HER MAJESTYS SECRET SERVICE und den Romanen, sowie der immensen Vorfreude auf einen neuen Film, der alles bisher dagewesene in den Schatten zu stellen versprach.


Artikel der Zeitschrift Kinohit 1993, in dem ich erwähnt werde :)
Obwohl Brosnan offiziell noch nicht im Rennen war, hatte er bereits 20 % der Stimmen
Und dann kam er schließlich - GOLDENEYE! Ich kann mich noch sehr gut an den ersten Teaser-Trailer erinnern, den man - heute unvorstellbar - völlig unvorbereitet im Kino sah, und der mich förmlich weggeblasen hat. Seitdem hat nie wieder ein Trailer eine derartige Begeisterung und eine so ungeheure Vorfreude auf einen Film ausgelöst. Ich halte den Teaser heute noch für den besten des gesamten Franchise - die Musik, Brosnan und vor allem die bis dato völlig neuartig stroboskop-artig ineinander geschnittenen Szenen...

Den Film als solchen sah ich dann im Dezember 1995 - trotz Erkältung mit Husten und Heiserkeit. Bei so viel Vorfreude war das Filmerlebnis an sich natürlich ein bisschen ernüchternd. Erst die Panzerjagd brach das Eis und löste allgemein herzhaftes Lachen und die bondtypische Begeisterung im Kinosaal aus.


Zwei Jahre später ging die Vorfreude wieder los, und ich fuhr spontan 50 km ins nächstgelegene Kino, um den Teaser zu sehen. TOMORROW NEVER DIES empfand ich schließlich als Verbesserung gegenüber GOLDENEYE. Pierce Brosnan wirkte lockerer, die Musik von David Arnold war endlich bondwürdig, und die Actionszenen konnten mit TRUE LIES und Co. mithalten. Zum Filmstart 1997 war Pierce Brosnan dann auch im eingangs erwähnten Wetten, daß ..? zu Gast und küsste als Saalwette 27 Chefsekretärinnen. Von den über 50 % Marktanteil der Show träumt man heute sicher.

Bei THE WORLD IS NOT ENOUGH machte ich zum ersten und letzten Mal den Fehler, den Roman zum Film noch vor dem Filmstart zu lesen, was zu einem eindeutigen Überraschungs-Defizit im Kino führte. Trotzdem mochte ich auch diesen Film sehr. Den Song von Garbage und vor allem David Arnolds Untermalung der eröffnenden Themse-Bootsjagd hörte ich im Auto sehr gern, was nicht immer zu einem StVO-gemäßen Fahren animierte.

Zeitungsausschnitte und Kinokarten aus den Neunzigern,
sowie eine Eintrittskarte der Bond-Ausstellung 1998 in Hildesheim

DIE ANOTHER DAY war schließlich der erste Bondfilm, dessen Entstehung ich online mitverfolgte, vor allem im deutschen Bondforum. Die Zeiten, in denen man den ersten Trailer zufällig im Kino sah, Titel und Bösewicht zufällig in der Zeitung las und den Song zum ersten Mal zufällig im Radio hörte, waren damit vorbei. Nach den üblichen Gerüchten - "Beyond the Ice" als Titel, Robbie Williams als Bondnachfolger, Mel C als Song-Interpretin, Bonds Sohn als Bösewicht sowie dem obligatorisch und bedrohlich alle zwei Jahre auftauchende Konkurrenzbond "Warhead 2000 A.D." - formierte sich langsam die Story des großen Jubiläumsbonds. Erste Fotos des vollbärtigen Brosnan lösten wilde Spekulationen aus, ebenso Gerüchte um Folter und ein unsichtbares Auto.

Die Premiere erlebte ich erstmals auf dem Potsdamer Platz in Berlin mit, mit torartig aufgebauten Laser-Robotern made in Germany. Der Film an sich war dann allerdings ein eher seltsames Erlebnis. Allerdings gefiel er mir beim zweiten Mal schon etwas besser. Insgesamt wurde DIE ANOTHER DAY 2002 auch von vielen Kritikern wesentlich positiver wahrgenommen als später.

Wieder verschwand Bond in einem filmlosen schwarzen Loch, nur um abermals wie ein Phönix aus der Asche zu entsteigen. Diesmal mit einem wahr gewordenen Fantraum: Einer dem Original würdigen Verfilmung des ersten Bondromans Casino Royale! Doch wenn die Brosnan-Ära eins gelehrt hatte, dann die Erwartungen nicht zu hoch zu schrauben. Aber CASINO ROYALE erwies sich als Triumph, der auch mich restlos überzeugte. Mit QUANTUM OF SOLACE folgte ein Film, für den ich bis heute eine Art Hassliebe empfinde, und schließlich SKYFALL, dessen Entstehung und Premiere ich mit diesem Blog begleiten durfte.

Das waren die ersten zwanzig Jahre. Stay tuned to 2033! ;-)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen