Django Unchained
USA 2012
Regie und Drehbuch: Quentin Tarantino
Darsteller: Christoph Waltz, Jamie Foxx, Leonardo DiCaprio
Kino eignet sich nicht nur dafür, vergangene Epochen wieder lebendig werden zu lassen, sondern auch, die Geschichte nach eigenen Vorstellungen umzuschreiben. Während bei vielen historischen Filmen letzteres eher auf schlampige Recherche zurückzuführen ist, nutzt Quentin Tarantino die Freiheiten der Zeitmaschine Kino bewusst und konsequent. In INGLORIOUS BASTERDS (2009) glückt ein Attentat auf Hitler, wo sie in der Realität allesamt scheiterten; in seiner achten Spielfilm-Regie lässt er nun einen schwarzen Sklaven seine Ketten sprengen und mit den weißen Besitzern abrechnen. Dabei wird auch die Filmgeschichte berichtigt. "Once you loved her, now you've lost her forever", singt Rocky Roberts in Luis Bacalovs Hymne zum originalen DJANGO (1966).
Tarantinos Django (Jamie Foxx) hat seine Liebe noch nicht für immer verloren, und so dreht sich die Geschichte um Djangos Versuch, mit Hilfe des Kopfgekljägers Dr. King Schultz (Christoph Waltz) seine Frau (Kerry Washington) zu befreien und sich an ihren und seinen Peinigern zu rächen. Doch auch auf eine weniger positive Weise unterscheidet sich der "Southern" von Sergio Corbuccis Italowestern. Während Franco Neros eisblaue Augen Damen wie Bösewichte verstummen ließen, ist DJANGO UNCHAINED eindeutig die Show von Christoph Waltz. Die Leinwandpräsenz des Wieners ist schon erstaunlich, wenn man an frühere Rollen in "Die Roy Black Story" oder "Kommissar Rex" denkt. In Deutschland wäre jemand wie er vermutlich heute noch dazu verdammt, zwischen Tatort und Traumschiff zu tingeln. Seine Figur des auf Kopfgeldjäger umgeschulten Zahnarztes erinnert an die historische Figur des Doc Holliday, und Waltz spielt sie mit einer genialen Mischung aus Eloquenz und Tödlichkeit. Der zweite Oscar wäre auf jeden Fall verdient.
Jamie Foxx hat erst gegen Ende des mit 165 Minuten etwas zu lang geratenen Films die Gelegenheit, aus dem Schatten seines Mentors zu treten. Dafür aber dann umso bleischwerer und blutiger. Die Gewalt in DJANGO UNCHAINED wirkt verglichen mit Tarantinos bisherigen Filmen realistischer und weniger cartoonhaft. Der Regisseur schafft es, das absurde Selbstverständnis der weißen Sklavenhalter in vielen Szenen auf den Punkt zu bringen. "Man könnte drüber lachen, wenn es nicht so tragisch wäre" - dieser Spruch trifft wohl auf einen Großteil der Menschheitsgeschichte zu. Hier darf man tatsächlich auch mal darüber lachen, beispielsweise wenn sich Ku-Klux-Klan-Mitglieder über ihre Kapuzen streiten. Manchmal wird es allerdings auch etwas zu plakativ, etwa wenn ein fetter Weißer eine Sklavin mit der Bibel in der Hand auspeitscht.
Auch Leonardo DiCaprio, der mit THE QUICK AND THE DEAD schon einmal in einer Italowestern-Hommage spielte und hier den Planatagenbesitzer Calvin Candie verkörpert, ist sehenswert, reicht als Bösewicht aber nicht ganz an Waltz´ Hans Landa heran. Wie gewohnt bei Tarantino ist der Film bis in die kleinste Nebenrolle genial besetzt. Bondfans können sich beispielsweise auf ein Wiedersehen mit Colonell Heller aus LICENCE TO KILL freuen, hier als Sheriff. Auch der Meister himself beweist in einer kleinen Rolle wieder Sinn für Selbstironie. Obligatorisch ebenfalls die zahlreichen Zitate nicht nur der Italowesterngeschichte, sowie die kongeniale Musikauswahl.
Im Gesamteindruck hält der Film eine sehr gekonnte Balance zwischen Popcorn-Unterhaltung, Hommage an ein Genre bzw. den Film an sich sowie ernsteren Zwischentönen. In dieser Kategorie erreicht er meiner Meinung nach allerdings nicht ganz die Klasse von INGLORIOUS BASTERDS. Zumindest auf den ersten Blick. Auf jeden Fall mag ich den "erwachsenen" Tarantino mit Jackie Brown, Basterds und Django wesentlich lieber.
Ich wusste, der Sheriff kam mir bekannt vor :) Sehr gute Rezension.
AntwortenLöschenDanke! Passt auch irgendwie, da "Licence to Kill" mit seiner Rachestory Tarantino wohl am nächsten steht. Mich würde mal interessieren, welcher Tarantinos Lieblingsbondfilm ist...
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