Sonntag, 18. November 2012

Auf den zweiten Blick

Am Donnerstag hab ich SKYFALL zum zweiten mal gesehen - und zum ersten mal überhaupt saß ich in einem Bondfilm ganz allein im Kino. Zur Ehrenrettung des Films sei gesagt, dass es sich um die 14-Uhr-Vorstellung handelte. Und so war die totale Platzwahl und Konzentration auf den Film möglich. Dabei hat sich mein überwiegend positiver Eindruck bestätigt (siehe hier). (Der nachfolgende Text kann Spoiler enthalten, also wichtige Handlungsdetails verraten)





The Dark Agent Rises?

Anlass zur Kritik am Film gibt unter anderem die offensichtliche Inspiration durch die Art und Weise, wie Christopher Nolan das Batman-Universum erneuert hat. Immerhin hat Regisseur Sam Mendes in einem Interview bekräftigt, dass ihn die eindrucksvolle Verknüpfung von Kunst und Kommerz in der Dark-Knight-Trilogie dazu bewogen habe, die Regie bei einem Bondfilm zu übernehmen. Und es gibt tatsächlich auffällige Parallelen zwischen SKYFALL und den letzten beiden Nolan-Batmans. Zum ersten Mal bei Bond wird der Einfluss des plötzlichen und frühen Todes seiner Eltern auf seine "Heldenreise" thematisiert, und auch der Bondsche Familiensitz samt Restpersonal wirkt recht batman-esk. Gegenspieler Raoul Silva erinnert in manchen Szenen an Heath Ledgers Jokers, wobei sich die etwas schrillen und sexuell offensiven Seiten seines Charakters auch sehr gut durch das erklären lassen, was er erlitten hat. (Man könnte das Parallelenspiel sogar noch weiter treiben: Die Comic-Saga, auf der Nolans dritter Batman lose basiert, heißt KNIGHTFALL; der Protagonist erleidet dort am Anfang eine ungewöhnlich starke körperliche Verletzung, die normalerweise tödlich wäre, und muss sich davon erholen; der entscheidende Zweikampf mit dem rachsüchtigem Gegenspieler findet im Wayne Manor statt, sozusagen dem fledermäusischen Äquivalent zur Skyfall Lodge)

Aber letztendlich ist Nolans Einfluss nicht viel größer als der, den beispielsweise Blaxploitation-Filme auf LIVE AND LET DIE  hatten. Es gibt bei Batman auch einige Referenzen an 007, wie etwa der von Rosa Klebb inspirierte Messer-Schuh des Jokers. Zudem ist es ein häufiges Merkmal von Helden, früh die wohlhabenden Eltern zu verlieren und einen Mentor zu haben, von Tarzan über Luke Skywalker bis zu Lara Croft. Die meisten Skyfall-Elemente finden sich in ähnlicher Form bereits bei Fleming.

Was ich dagegen eher kritisieren würde ist, dass der Familiensitz hauptsächlich nicht mehr als eine interessante und abwechslungsreiche Kulisse bietet. Sonst verschanzten sich die Bösewichte am Ende in ihren Behausungen, stellten Bond dort Fallen und entführten gern auch das Girl als Lockvogel. Insofern ist der dritte Akt von SKYFALL die sehr schöne ironische Brechung eines Klischees, aber leider geht er auch nicht wirklich über das hinaus, was man aus den Büchern kennt. Nach dem überbordenden Lob des Drehbuches durch alle Beteiligten hatte ich hier noch eine besondere Wendung erwartet. Etwas, das Jeffery Deaver in seinem Roman "Carte Blanche" beispielsweise gut gelungen ist.

Best of Brosnan?

Neben den Nolan-Parallelen fallen an SKYFALL auch viele Ähnlichkeiten zu den Bondfilmen mit Pierce Brosnan auf. Wie in GOLDENEYE werden Bond und seine Methoden ständig in Frage gestellt, und er wird mit einem abtrünnigen Kollegen konfrontiert, zu dessen Plan das Hacken von Computern gehört. Wie in THE WORLD IS NOT ENOUGH stürzt Bond im Teaser nach einer langen Verfolgungsjagd in die Tiefe und erleidet eine ernsthafte Verletzung, die der Bösewicht ausnutzt; M wird mit zweifelhaften Entscheidungen konfrontiert und muss beschützt werden. Und schließlich ähnelt das Schicksal von Silva dem von Bond in der ersten Hälfte von DIE ANOTHER DAY.

Man muss allerdings sagen, dass die entsprechenden Elemente in SKYFALL größtenteils stimmiger wirken als in den entsprechenden Brosnan-Bonds. Das zeigt sich etwa im direkten Vergleich mit DIE ANOTHER DAY, der ebenfalls ein Jubiläumsbond war, das Überleben Bonds als Charakter und Franchise thematisierte und zahlreiche Selbstzitate bot. Die Hommagen in SKYFALL wirken dezenter und dramaturgisch besser eingebunden, etwa das Zitat von Scaramangas Spiegelkabinett in der Titelsequenz (die gleichzeitig an "Die Lady aus Shanghai" erinnert, wie HMSS feststellte).

Die Brosnanbonds griffen oft auch aktuelle politische Entwicklungen auf, blieben dabei aber zu oberflächlich. In der Realität kämpfte der MI6 beispielsweise bereits seit Flemings Zeiten mit diversen Peinlichkeiten, die ihm das grundlegende Misstrauen der US-Geheimdienste einbrachten - Philby, Blake, Profumo, etc. - was in DIE ANOTHER DAY spielerisch durch einen machohaften NSA-Chef aufgegriffen wird, der jedoch ansonsten dramaturgisch funktionslos blieb. In SKYFALL - und auch zuvor in dem viel kritisierten QUANTUM OF SOLACE - wird dieses Potential wesentlich konsequenter genutzt.

Ähnlich wie bei CASINO ROYALE macht die Schlusszene von SKYFALL Lust auf mehr. (Auch wenn sie nicht deren Impact erreicht) Nun sollte die Genese des Heros endlich abgeschlossen sein - er hat die Fähigkeiten, die Motivation, den neuen Feind (Quantum) und die alten Verbündeten. Selbst die Kriegsschiffgemälde, die im Büro des alten M zur Dekoration hingen, sind nun mit Bedeutung aufgeladen. Mehr als vorher stellt sich die Frage, was man jetzt mit dem liebevoll aufgebauten Instrumentarium anstellt.

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