GB 2012
Regie: Sam Mendes
Darsteller: Daniel Craig, Javier Bardem, Bérénice Marlohe, Judi Dench
James Bond ist zurück - zum 23. Mal in 50 Jahren! (Eigentlich schon zum 24. Mal, zählt man das Remake "Sag niemals nie" dazu) Was heute so selbstverständlich wirkt, war es nicht immer. Wenn Bond im Film zu seinem Gegenspieler Raoul Silva sagt, dass sein Hobby Auferstehung sei, dann ist das auch eine treffende Beschreibung der Franchise-Geschichte. Während in der Realität wohl niemand einen Agenten wie Bond nachhause schicken würde, wurde die Relevanz Bonds vor allem nach Ende des Kalten Krieges regelmäßig in Zweifel gezogen. Zuletzt gab die Krise des Studios MGM der Doppelnull ein großes Fragezeichen. Doch Bond ist auferstanden, pünktlich zum goldenen Jubiläum des ersten Bondabenteuers DOCTOR NO.
Die Frage nach der Legitimation des alten Haudegens Ihrer Majestät, beziehungsweise von klassischer Geheimdienstarbeit im allgemeinen, ist ein zentrales Thema des Films. Dabei ist das Thema alles andere als neu. Schon Ian Fleming gab in den fünfziger Jahren zu, dass die damals neuartigen U-2-Spionageflugzeuge und Satelliten mehr sehen können als 1000 Agenten im Feldeinsatz. Auch das Pierce-Brosnan-Debüt GOLDENEYE von 1995 nahm sich dieser Thematik an. Doch während die entsprechenden Dialoge dort aus heutiger Sicht etwas gekünstelt wirken, geht SKYFALL wirklich in die Tiefe. Bonds Chefin M, zum siebten Mal von Judi Dench verkörpert, und 007 selbst stehen hier für das traditionelle "Spiel im Schatten", während die Moderne herausfordernd vom Geheimdienstbeamten Mallory (Ralph Fiennes) und dem jugendlichen Q (Ben Wishaw) verkörpert wird. (Der neue Q hat übrigens eine Vorliebe, die er mit Captain Picard teilt: Earl Grey)
Und schließlich ist da Raoul Silva, bedrohlich schrill gespielt von Oscarpreisträger Javier Bardem. Bardem gelingt es hier, auf eine völlig andere Art und Weise angsteinflößend zu wirken als in "No Country For Old Man". Silva beherrscht die Klaviatur der modernen Computertechnik so perfekt, dass der MI6 gezwungen ist, in ein unterirdisches Quartier aus der Zeit Churchills auszuweichen. Trotzdem steht er in der Tradition der großen Bondschurken, auch mit dem obligatorischen physischen Makel, der hier allerdings tragisch wirkt und die Figur wunderbar unterstreicht. Ähnlich wie bei Auric Goldfinger oder dem skrupellosen Franz Sanchez wirkt Silva und sein Vorhaben durchaus glaubhaft und nachvollziehbar.
Wie schon im Vorgängerfilm QUANTUM OF SOLACE, in dem der CIA mit dem Bösewicht gemeinsame Sache macht, werden dabei auch die Schattenseiten der Geheimdienste thematisiert. Man hat fast den Eindruck, dass die Bondmacher den gesellschaftskritischen Geist des New-Hollywood-Kinos der Siebziger einfangen wollen, dem sie sich damals mit der ironischen Gigantomanie der Roger-Moore-Filme erfolgreich entzogen haben. M ist hier so widersprüchlich und damit dreidimensional wie nie zuvor. Die Figur hat sich im Laufe der Reihe interessanterweise immer mehr Flemings ursprünglichen Inspirationen angenähert. Ian Fleming und seine drei Brüder nannten ihre dominante Mutter M., was Fleming augenzwinkernd auf den fiktiven Geheimdienstchef anwandte. In SKYFALL steht M. nun mehr denn je für Mutter, und für eine sehr schwierige. Bonds Loyalität zu seinem Land und seinem Arbeitgeber - eine der Eigenschaften der Filmfigur, die sich nie verändert haben - wird stärker herausgefordert als je zuvor. Dabei hätte man jedoch gern mehr gesehen von Bond, wie er den "Tod" genießt, schließlich hadert und nach London zurückkehrt. Überhaupt wirkt der Film trotz seiner überdurchschnittlich langen Laufzeit von über zwei Stunden und zwanzig Minuten erstaunlich kurzweilig.
Im letzten Drittel ergreift Bond die Initiative und begibt sich zusammen mit M an einen Ort, an dem Hackergenie Silva nicht auf seine gewohnten Tricks zurückgreifen kann - den unwirtlichen Bergen Schottlands, wo sich der Landsitz der Familie Bond befindet. Es wird also diesmal nicht nur der Wodka Martini, sondern auch die klassische Bondformel kräftig geschüttelt, denn sonst war es immer Bond, der seine Gegenspieler in ihren Domizilen aufspürte. Hier warten die alten Geheimdienst-Schlachtschiffe Bond und M sowie der von Schauspiellegende Albert Finney verkörperte Kincade auf den Angriff von Silva und seinen Schergen, ein bisschen wie eine bedrohte Familie. Tradition trifft auf Moderne, Alt auf Neu, und das sehr explosiv. Und am Ende ist alles neu, und doch wie gewohnt.
Auch der Film an sich kombiniert gekonnt altes und neues. Es gibt wunderbar geschliffene Dialoge ebenso wie Humor und liebevolle Referenzen an die eigene Geschichte. Und Titeldesigner Daniel Kleinman feiert nach der eher durchschnittlichen Arbeit von MK12 am letzten Bondfilm ein furioses Comeback. Seine Bilder stellen den Subtext der Geschichte dar und sind gleichzeitig ein geheimnisvolles Foreshadowing der Handlung - Eye-Candy mit Diabetes-Gefahr.
Ähnlich wie Connery mit GOLDFINGER und Moore mit THE SPY WHO LOVED ME ist Daniel Craig mit diesem Film endgültig in der Rolle angekommen, und hat sich das "ist" zwischen eigenem und Rollennamen verdient. James Bond will return - unbedingt mit Daniel Craig!
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