Sonntag, 19. August 2012

Wikileaks trifft Spectre

Die meisten der jüngeren Bondfilme sind im Kern von brisanten aktuellen Themen inspiriert, wie etwa Skrupellosigkeit von Massenmedien in TOMORROW NEVER DIES oder der Kampf um Ressourcen wie Öl und Trinkwasser in THE WORLD IS NOT ENOUGH und QUANTUM OF SOLACE. In SKYFALL geht es offenbar um die Macht von Informationen im Zeitalter ihren scheinbar völligen Verfügbar- und Kopierbarkeit, und ihrer zunehmenden Infragestellung als schützenswürdige und eigenständige Werte.

Staatsfeind Nr. 1 ?
Im derzeit wieder aktuellen diplomatischen Gerangel um den australischen Programmierer und Wikileaks-Gründer Julian Assange springt einem die Brisanz des Themas förmlich ins Gesicht. Ob der ebenfalls blonde Bondgegenspieler Raoul Silva im Film rein private Ziele verfolgt, sich auch als Idealist sieht, der Geheimnisse zum Wohle des Volkes veröffentlicht oder das nur vorgibt, ist noch unklar. Letzteres hätte zumindest einen gewissen Reiz, da es Silva eine unheimliche Macht verleihen würde. Er könnte beispielsweise die öffentliche Meinung gegen den MI6 mobilisieren - etwas das Medienmogul Elliott Carver leider versäumt hat - oder Hacker weltweit für Flashmobs, Shitstorms oder ähnliches aktivieren.

Auf jeden Fall nutzt Silva offenbar eine japanische Geisterinsel als Server-Standort. Interessanterweise wurde der ehemalige Standort der Wikileaks-Server in einem futuristischen schwedischen Bunker in Berichten oft als reinrassige James-Bond-Location bezeichnet. Und es gab Überlegungen, die Server offshore auf eine ehemalige Flugabwehrplattform vor der britischen Küste oder auf ein Schiff in internationalen Gewässern zu verlegen. Die Enthüllungsseite, die sich selbst als Counter-Intelligence oder Geheimdienst des Volkes versteht, umweht also auf jeden Fall ein gewisser bondiger Hauch.

Doch so brandaktuell die gesamte Thematik auch ist, sie hat auch Wurzeln in den Romanen. Bonds literarische Nemesis, Ernst Stavro Blofeld, erkannte bereits im Telegrafenzeitalter die Macht von Information und Vernetzung. Im Roman Thunderball (dt. Sag niemals nie, oder Aktion Feuerball) heißt es über ihn:
"Er hatte in Warschau Maschinenbau und Elektrophysik studiert und mit 25 einen kleinen Posten bei der Zentrale der Post- und Telegrafengesellschaft angenommen - eine merkwürdige Wahl für einen begabten jungen Mann; aber Blofeld war zu dem Schluß gekommen, daß ein rasches, genaues Nachrichtensystem in dieser kleiner werdenden Welt Macht bedeutet. Im Krieg wie im Frieden die Wahrheit früher als die anderen gekannt zu haben: dieser Vorteil steckte seiner Meinung nach hinter jeder richtigen Entscheidung in der Geschichte." 
Heutzutage würde Blofeld wohl ein Netz von IT-Spezialisten und Whistleblowern aufbauen und seine Server auf einer geheimen Insel stationieren...

2 Kommentare:

  1. Heute die passende Meldung dazu:

    http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/wz_digital/digital_news/481146_Hacker-legen-Website-des-britischen-Justizministeriums-lahm.html

    Vielleicht läuft im Film ja so ähnlich eine Befreiungsaktion von Silva ab: Hacker legen den MI6 lahm und Maskenmänner à la Anonymous lenken die Sicherheitsbehörden draußen ab. (Man sieht im Trailer ja Silva in einer Zelle und eine Explosion des MI6-Gebäudes) Bond verfolgt ihn dann bis in die U-Bahn, wo er entkommt.

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  2. http://www.bernerzeitung.ch/kultur/fernsehen/Der-Blofeld-in-uns/story/25832809

    "Drahtzieher ist ein gewisser Raoul Silva. Auffallend ist: Der sonst dunkelhaarige Bardem hat für die Rolle des Raoul Silva sein Haar blond gefärbt. Gerät James Bond da etwa an eine böse Version von Wikileaks-Gründer Julian Assange?"

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