Während es in den vergangenen Monaten und sogar Jahren wenig bis gar keine offiziellen Informationen über den neuen Bondfilm gab, ist nach dem Ausstieg von Regisseur Danny Boyle gerade nichts älter als das Gerücht von gestern. Pressemeldungen überschlagen sich mit Spekulationen über die Hintergründe und Auswirkungen, und widersprechen sich teilweise diametral. Offiziell werden nur "kreative Differenzen" als Grund für Boyles Ausstieg angegeben. Inoffiziell reichen die Spekulationen von der Besetzung des russischen Gegenspielers mit dem Polen Tomasz Kot bis hin zu einem geplanten Tod von Bond am Ende der Geschichte von Bond 25. Aber wie wahrscheinlich ist es, dass man Bond am Ende von Craigs finalem Film wirklich sterben lassen will?
Zum einen bekundete Daniel Craig Interesse an einem Abschied von der Figur Bond im Stile der ungewöhnlich düsteren Marvel-Produktion LOGAN, in der der beinahe unsterbliche Superheld Wolverine am Ende stirbt und das Zepter an eine neue Generation weitergibt. Auf jeden Fall scheint Craigs Bestreben zu sein, nicht in gewöhnlichen Bondfilmen nach der üblichen, etablierten 'Bondformel' mitzuwirken. Insofern wäre es die logische Konsequenz seiner Ära. Wenn man Bonds Anfänge gezeigt hat, und etabliert hat, dass er altert, warum dann nicht auch sein Ende zeigen?
Die Bondreihe verfügt über eine sehr eigene, teilweise paradoxe Art von Kontinuität, die man fast als dialektisch bezeichnen könnte. Auf der einen Seite ist allen Zuschauern klar, dass Bond trotz aller Veränderungen immer Bond bleibt und '007 James Bond' nicht nur ein Deckname ist, der von verschiedenen Agenten benutzt wurde. Es gibt deutliche Anspielungen auf frühere Filme, aber trotzdem funktioniert jeder Film nur vollständig als für sich alleinstehende Geschichte. Die Filme wurden für ein Publikum geschaffen, das die Filme hin und wieder mal im Kino oder im Fernsehen anschaut und sich nur sporadisch an die anderen Teile erinnert, sie aber in der Regel nicht am Stück als Marathon 'binge watcht', wie es im Bluray- und Netflix-Zeitalter die Regel ist. In der heutigen Zeit, in der Filme und Serienfolgen jederzeit verfügbar sind, ergibt eine strenge Kontinuität auch in Film-Franchises wesentlich mehr Sinn.
Diese sehr lose und teils paradoxe Verbindung zwischen den einzelnen Bondfilmen könnte man natürlich rein theoretisch auf die Spitze treiben und Bond sterben lassen, und den nächsten Film dann einfach wieder für sich selbst stehen lassen. Eine denkbare Lösung wäre sogar, Bond 25 einfach in einer nahen Zukunft anzusiedeln, die dann in einer retroaktiven Kontinuität immer in der Zukunft bleibt. Ebenso wie auch viele Science-Fiction-Filme gefühlt immer in der Zukunft à la 'In ein paar Jahren von heute an' angesiedelt sind. Damit würde auch für nachfolgende Darsteller der gezeigte Tod von Bond immer in der nahen Zukunft liegen, und sie könnten sogar denselben Bond darstellen, der am Anfang seiner Karriere Vesper Lynd kennengelernt und verloren hat.
Andere Franchises haben ein derartiges Konzept bereits erfolgreich umgesetzt. Der Film MR. HOLMES beispielsweise zeigt einen betagten Sherlock Holmes und führt weitere Abenteuer mit einem im 19. Jahrhhundert angesiedelten Holmes keinesfalls ad absurdum. Auch die Zeichentrickserie BATMAN OF THE FUTURE zeigt einen gealterten Batman, der sich zur Ruhe setzen musste, und spielt in einer Zeit, die immer 'die nahe Zukunft' bleiben wird. Winnetou starb sogar im siebten Teil der deutschen Karl-May-Verfilmungen, um danach in noch in vier Filmen quicklebendig wieder aufzutauchen, die zeitlich einfach davor angesiedelt sind. Captain Kirk ist ebenfalls noch im Kino aktiv, obwohl er in GENERATIONS bereits 1993 auf der Leinwand das Zeitliche segnete. Und auch LOGAN spielt im Jahr 2029 und macht damit weitere Wolverine-Filme zumindest theoretisch nicht unmöglich.
Neben der Frage, ob es möglich ist, stellt sich natürlich auch die Frage, ob es sinnvoll ist. Wie bereits geschrieben, wäre es rein innerhalb der Craig-Ära durchaus konsequent. Meine persönliche Meinung ist jedoch, dass es die Figur James Bond nachhaltig beschädigen würde, auch wenn man danach so tun würde, als ob nichts gewesen sei. Auch wenn Bond innerhalb der einzelnen Filme als sterblich erscheint - immerhin ist er in DIE ANOTHER DAY und CASINO ROYALE bereits an Herzversagen gestorben und war für einen Moment tot - liegt die Faszination doch darin, dass er anders als wir alle immer wieder kommt und dem Zeitlichen ein Schnippchen schlagen kann. (Das Franchise mit Bond 25 zu beenden ist selbstredend erst recht keine Option, auch wenn viele Feuilleton-Schreiberlinge das wohl feiern würden.)
Außerdem hat die Bereitschaft des Publikums, beide Augen zuzudrücken, irgendwo auch Grenzen. Bei vielen Zuschauern tauchte beispielsweise bereits nach CASINO ROYALE die Frage auf, warum jetzt nicht DR. NO und die folgenden Bondfilme remaked werden, wo doch Bonds Anfänge gezeigt wurden.
Falls Daniel Craig tatsächlich in seinem Abschiedsfilm Bond sterben lassen will, wirkt das auf mich auch ziemlich egomanisch. Seine persönlichen Reviermarken als Schauspieler wären ihm dann wichtiger als das gesamte Franchise. Einem Sir Roger Moore wäre es wohl im Traum nicht in den Sinn gekommen, seinen Bond sterben zu lassen, nur damit ihm Kritiker wohlwollend auf die Schulter klopfen.
Aber all das gilt natürlich nur für den Fall wenn. Im Idealfall ist es eine der üblichen Absurditäten der britischen Yellow Press. Wesentlich wahrscheinlicher erscheint mir, dass es tatsächlich um die Personalie Tomasz Kot ging, der von einigen Autoren als "left-field decision" für einen Bondgegenspieler gesehen wird. Auch Bondveteran Jonathan Pryce (TOMORROW NEVER DIES) ist der Meinung, dass Boyle 'too socialist' für Bond war. Immerhin ist James Bond trotz aller Zugeständnisse an den Zeitgeist immer noch ein eher konservatives Franchise. Das hat SKYFALL auf eine reizvolle und durchaus mutige Weise herausgestellt.
The only question remains - wie Le Chiffre sagen würde - wie es mit James Bond weitergeht. Weiter mit der ominösen Idee von Boyle und Hodge auch ohne den beiden, zurück zum Entwurf von Purvis und Wade - oder vielleicht sogar eine Synthese aus beiden - oder ein kompletter Neubeginn und eine Rückkehr an die Schreibmaschine mit einem ganz neuen Autor? In letzterem Fall würde 007 wohl erstmal wieder für ein paar Jahre untertauchen und erst mit einem neuen Gesicht wieder erscheinen. Aber ganz ehrlich: Falls uns dadurch erspart bleiben würde, dass Craig die Doppelnull killt, wäre mir das die längere Wartezeit wert.
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