Sonntag, 23. April 2017

Die ungleichen Brüder

Die Darstellung der Figur James Bond durch Pierce Brosnan und Daniel Craig könnte unterschiedlicher kaum sein. Eine leicht versnobte Eleganz, Kultiviertheit sowie Hommage, fast schon Beschwörung früherer Glorie auf der einen Seite – physische Präsenz und ein cooles Überbordwerfen verkrusteter Klischees auf der anderen. Und doch ähneln sich ihre Amtszeiten in vielen Details so sehr, dass man sie wie Folien aufeinanderlegen könnte. Zumindest bisher.







Mission erfüllt - was nun?

Sowohl Brosnan als auch Craig hatten die Erwartungen, die in sie und ihre Ära gesetzt waren, schon mit ihrem Debüt erfüllt. Die Mission von Pierce Brosnan war, den stetigen Abwärtstrend der Einspielergebnisse in den 1980ern zu beenden und die ungebrochene Relevanz von Bond als Actionhelden und Agenten in der Zeit nach dem Mauerfall zu beweisen. Das war mit GOLDENEYE umfassend gelungen. Der Film zählt zu den fünf weltweit erfolgreichsten Filmen des Jahres 1995 und schuf - auch durch das gleichnamige Videospiel - eine neue Generation von Fans. Bond war wieder da, und gekommen, um zu bleiben.

Nach DIE ANOTHER DAY stellte sich die Frage, ob Bond der Formelhaftigkeit entkommen könnte, in der er gefangen war, und die nur noch Variationen in Größe und Effektreichtum zuzulassen schien. Und in gewisser Weise war Daniel Craigs Mission auch eine persönliche, angesichts einer großen Voreingenommenheit. Und auch er triumphierte bereits mit seinem Debüt auf der ganzen Linie, gewann neue Fans und schaffte es, Menschen für Bond zu interessieren, die bisher eher die Nase rümpften.

Sowohl GOLDENEYE als auch CASINO ROYALE wurden nicht nur vom Neuseeländer Martin Campbell inszeniert, sondern zeugen auch von klassischer, hochwertiger Film-Handwerkskunst. Bereits die Titel bürgen in gewisser Weise für Hochwertigkeit. Goldstandard und Königsklasse, wenn man so will.

Studio-Druck und Drehbuch-Chaos

Das chronisch klamme Studio MGM drang nach dem Erfolg von GOLDENEYE auf einen möglichst schnellen Nachfolger und setzte eine Deadline, die sich als eine der härtesten in der Bond-Produktionsgeschichte erweisen sollte. Der Firmen-Philosophie von MGM, Ars Gratia Artis - "Kunst um der Kunst willen", wurde mit der Produktion von TOMORROW NEVER DIES nicht gerade Ehre erwiesen.

Auch Daniel Craigs Bond wollte man als bestes "Pferd" im Stall von Sony so schnell wie möglich wieder ins Palio schicken. Sein zweiter Film sollte eigentlich schon im November 2007 erscheinen, nur ein Jahr nach CASINO ROYALE. Eine derart kurze Produktionszeit war jedoch im neuen Jahrtausend nicht mehr zu stemmen. Aber auch mit dem zusätzlichen Jahr erwies sich die Vorbereitungszeit immer noch als unzureichend.

Sowohl bei TOMORROW NEVER DIES als auch QUANTUM OF SOLACE startete man mit einem unfertigen Script in die Dreharbeiten, was den Regisseuren Roger Spottiswoode und Marc Forster große Sorgen bereitete. Bei letzterem kam auch noch ein Drehbuch-Streik dazwischen. Das Autoren-Chaos spiegelt sich bei beiden Filmen schon im Titel. Brosnans zweiter Film sollte eigentlich TOMORROW NEVER LIES heißen, wurde aufgrund eines Tippfehlers in der Drehbuch-Übermittlung zu DIES. Was in ironischer Weise auch wieder zu einer Story um einen Zeitungsverleger passt. Paul Haggis' Drehbuch für Bond 22 trug ursprünglich den Titel SLEEP OF THE DEAD, und er machte später keinen Hehl daraus, dass er QUANTUM OF SOLACE, der erst kurz vor Veröffentlichung feststand, von allen Titeln, die wohl zur Diskussion standen, für die unglücklichste Entscheidung hielt.

Beide Filme leiden als Schnellschüsse unter einer gewissen Unausgegorenheit und zählen für viele Fans zu den eher durchwachsenen Beiträgen. Schon bei Roger Moore machte man diesen Fehler, den zweiten Auftritt des Darstellers überhastet in's Kino zu bringen; und man kann nur hoffen, dass das Bond Nr. 7 erspart bleibt. Denn letztendlich ist der längerfristige Nutzen für die jeweilige Ära eher überschaubar.

This Time it's Personal!

Brosnans und Craigs Zweitlinge erhielten im Gegensatz zu ihren Debüts eher verhaltene Kritiken. Man empfand sie jeweils als Action-Feuerwerke ohne besondere Momente des Innehaltens. EONs Antwort darauf war, Bond nicht nur als effektives 'Blunt Instrument' darzustellen, sondern ihn gleich zu Beginn sowohl physisch als auch psychisch zu verwunden, die Rolle der Bondgirls radikal zu überdenken, einen dreidimensionalen Gegner zu kreieren, und: Auf das zweitbeste "Pferd im Stall" zu wetten: Dame Judi Dench als M.

In THE WORLD IS NOT ENOUGH kann Bond am Ende der Vortitelsequenz die Frau nicht retten, stürzt in die Tiefe und kugelt sich den Arm aus. In SKYFALL wird der bereits mit Uranmunition angeschossene Bond am Ende der Vortitelsequenz von einer Frau fast erschossen, stürzt in die Tiefe, dann nochmal einen Wasserfall hinunter und sinkt schließlich blutend zum Grund. Was beim ersten Mal nur halb funktioniert hat, wird diesmal gründlichst erledigt.

M hat in beiden Filnen einen Fehler gemacht, muss beschützt werden und stellt Bonds Loyalität auf eine harte Probe. Bond muss sich auf Familien-Motto und -Ehre besinnen und triumphiert am Ende. In beiden Fällen überrascht das klassische Bondgirl: Einmal, indem sie sich als evil overlord entpuppt, und ein andermal, indem sie eigentlich gar nicht wirklich vorhanden ist. Schurkentechnisch setzen beide Filme markante Reviermarken. (Und als ob das noch nicht reicht, war Javier Bardem auch schon als Renard vorgesehen.)

Statt auf Action besann man sich auf die Charaktere und deren Interaktionen. In der Ära Brosnan war es die Gunst der Stunde für Neil Purvis und Robert Wade, die an allen weiteren Bondwerken beteiligt waren, und auch den First Draft für Bond 25 beisteuern sollen. In einem Interview sagten sie seinerzeit, dass Bond nicht mehr wild mit einem MG um sich feuern, sondern mit einem einzigen, gezielten Schuss aus seiner Walther beeindrucken sollte.

Und das tat Bond dann auch. Die zeitgenössischen Reaktionen der Presse waren überwiegend positiv. SKYFALL setzte noch stärkere Ausrufezeichen und wurde in Kritiken nicht selten als bester Bondfilm aller Zeiten bezeichnet. Auch die Besinnung beider Filme auf einheimische Schauplätze in London oder in Schottland wurde positiv aufgenommen.

Das sogenannte 21. Jahrhundert

Aller guten Dinge sind drei, aber das nützt einem nicht viel, wenn man einen vierten Film planen muss. Eigentlich hat man sich in jeder Hinsicht bewiesen. Man hat einen Bond, den Zuschauer und Fans lieben und akzeptieren; der gezeigt hat, dass er seinen Bond sowohl in Actionszenen wie auch in persönlichen Herausforderungen steht. Das Publikum kennt seinen Piloten und ist bereit, abzuheben.

Aber was 1965 mit THUNDERBALL und 1979 mit MOONRAKER wunderbar funktioniert hat, will unter der Ägide von Barbara Broccoli und Michael G. Wilson nicht so richtig gelingen. Denn so ganz kann und will man sich vom menschelnden Bond dann doch nicht trennen und liefert Filme, die sich nie so richtig zwischen Überlebensgröße und Drama entscheiden können. Und die Drehbücher der vierten Filme unterbieten wie in einem schlechten Reim nochmal die der jeweils zweiten.

Es scheint, als ob Austin Powers der Joker des Bonduniversums ist, der grinsend am Ende aller Bemühungen wartet. Mit unsichtbaren Autos landet man ebenso in seinem Revier wie mit bösen Stiefbrüdern - nur leider ohne dabei so amüsant zu sein.

Rogue Agent

Pierce Brosnan und Daniel Craig woll(t)en beide aus den ihnen zugedachten Funktionen als reiner Hauptdarsteller ausbrechen und mehr Einfluss ausüben. Brosnan brachte Quentin Tarantino und sein Konzept einer Neuverfilmung von Casino Royale ins Spiel. Craig agierte mit SPECTRE als erster Bonddarsteller bis dato als Co-Produzent. Pierce Brosnan machte sich mit diesem Eigenleben wohl eher unbeliebt, während man es Craig offenbar durchgehen lässt.

Sowohl DIE ANOTHER DAY als auch SPECTRE haben sich im Endeffekt als kreative Sackgassen erwiesen. Die übliche Vorgehensweise wäre jetzt wohl, in sich zu gehen, einen neuen, jungen Darsteller zu suchen, der sich von seinem Vorgänger möglichst stark unterscheidet, und vielleicht sogar den sturmerprobten Martin Campbell zu reaktivieren.

Doch während man Brosnan als Sündenbock mit einem Anruf in die Wüste schickte, scheint man den Ausweg diesmal zusammen mit dem Darsteller zu suchen. Zur Zeit gibt es Meldungen, dass Daniel Craig tatsächlich noch einen weiteren Bondfilm dreht.  Es wird auf jeden Fall in gewisser Weise Neuland für Broccoli und Wilson sein.

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