Wie aus 007 beinahe eine Fernsehserie wurde
Der neue James-Bond-Roman Trigger Mortis - Der Finger Gottes, der in Deutschland am 8. September erscheint (siehe hier), basiert zum Teil auf unveröffentlichtem Material von Ian Fleming. Es handelt sich um die Folge Murder on Wheels (Mord auf Rädern), die Fleming in den 1950ern für eine geplante Fernsehserie schrieb. Was war das für eine Serie, was genau schrieb Ian Fleming dafür und was wurde aus diesen Entwürfen?
Seine Frau Anne brachte Ian Fleming 1957 mit dem Millionär und Filmproduzenten Henry Morgenthau, III zusammen, mit dem sie befreundet war. Morgenthau hatte Kontakte zur jamaikanischen Regierung und wollte eine lokale Filmindustrie dort aufbauen. Den Anfang sollte eine für das US-Fernsehen produzierte Serie bilden. Somit beauftragte Morgenthau Fleming mit einem Konzept für eine erste, halbstündige Folge mit dem Arbeitstitel Commander Jamaica.
Hauptfigur sollte ein US-amerikanischer Agent sein, der zuerst tatsächlich Jamaica heißen sollte, später dann aber in James Gunn umbenannt wurde.
James Gunn - Secret Agent
Die Bahamas-Insel Inagua |
All diese Eindrücke verarbeitete Fleming zu einer Geschichte mit dem Titel James Gunn - Secret Agent. Er erfand die Basis eines chinesisch-deutschen Agenten namens Dr. No, der von einer Station auf Turks Island im jamaikanischem Gebiet aus die Starts von US-Weltraumraketen stört. James Gunn kommt ihm auf die Schliche, zusammen mit der schönen Halbchinesin Pearl.
Die 28-seitige Pilotfolge lieferte er Ende August 1957 ab. Er sollte dafür 1000 Dollar erhalten, und 2000 zusätzlich, falls sie realisiert werden sollte. Fleming schlug Drehorte rund um seinen Wohnsitz Goldeneye vor, sowie bestimmte Nachbarn für kleinere Rollen. Als Titelmelodie empfahl er den Calypso Mary Ann. (Hier eine ältere Aufnahme davon.)
Nach der enttäuschenden TV-Version von Casino Royale und geplatzten Plänen für eine Verfilmung von Moonraker hatte Fleming wenig Illusionen für diese Serie. "Interessant, aber nicht gerade eine Goldmine", war seine Meinung dazu.
Rosa Löffler, oder Löffelreiher |
Interessanterweise wurde über diesen Umweg aus der Pilotfolge für eine TV-Serie vier Jahre später der erste Film der Kinoreihe.
Damit ist die Geschichte um eine bond-ähnliche Fernsehserie allerdings noch nicht zu Ende, und die Geschichte um Murder on Wheels noch nicht erzählt!
Bond trifft 'Nicky the Greek'
1958 kamen Hubell Robinson, Programmchef bei CBS, und William Paley, CBS-Chef, auf Ian Fleming zu und beauftragten ihn mit einer dreizehnteiligen Fernsehserie. Diesmal nicht um einen US-Agenten namens Gunn, sondern direkt um seine Kreation James Bond. Fleming hatte genaue Vorstellungen, wie Bond als Charakter umgesetzt werden sollte: "Not too much stage Englishness. [...] No monocles, moustaches, bowler hats, bobbies or other 'Limey' gimmicks. [...] The secret service should be presented as a tough, modern organisation".
Um auf 13 Episoden zu kommen, verarbeitete Fleming Teile seiner bereits geschriebenen Romane sowie Ideen der James-Gunn-Serie. Aber er schuf auch sieben neue Episoden. Eine davon war die auf dem deutschen Nürburgring spielende Murder on Wheels.
Eine andere Episode spielte in Monte Carlo. Kurz zuvor hatte Fleming dort Aristoteles Onassis getroffen und einen Film über das Spielerparadies geplant, der jedoch wieder einmal scheiterte. Die Eindrücke von Monte Carlo flossen in diese Episode ein. Kurz vor seinem Lebensende begann Fleming eine unvollendeten Kurzgeschichte, in der Bond die Spielerlegende Nicolas Zographos trifft, auch 'Nicky the Greek' genannt. Da Fleming drei der TV-Episoden später in Kurzgeschichten für seine Sammlung For Your Eyes Only umwandelte, ist es sehr wahrscheinlich, dass er für diese Kurzgeschichte die Monte-Carlo-Episode verarbeitete. (Da Zagrophas schon 1953 verstarb, musste Fleming Bond damit noch mal in die Zeit vor Casino Royale zurückkehren lassen. Er schrieb sozusagen an einem Prequel...)
Zographos war ein Ingenieur, der erstmals eine mathematische Strategie für Baccarat entwickelte. Zusammen mit anderen Spielern bildete er das sogenannte Griechische Syndikat, das in den 1920ern und 30ern die Casinos der französischen Riviera dominierte. Zu ihren Klienten gehörten die Politik-, Wirtschafts- und Showgrößen der damaligen Zeit, darunter Charles Chaplin, Josephine Baker, Autotycoon André Citroën sowie verschiedene Rothschilds. Fleming hatte sie in Deauville und Le Touquet erlebt und bewunderte den eiskalt und beherrscht spielenden Griechen, der als einer der besten Spieler aller Zeiten gilt.
Bei sieben neuverfassten Episoden abzüglich der drei zu Kurzgeschichten umgeschriebenen sowie Murder on Wheels müsste es also noch drei Episoden geben, die zukünftig noch literarisch oder filmisch verarbeitet werden können. Zukünftige Bondromane könnten diese Folgen noch nutzen und Bond beispielsweise auf Nicky the Greek treffen lassen.
Auch diese zweite geplante Serie scheiterte letztlich in der 'development hell' und flimmerte nie über die Bildschirme. Trotzdem sollte Fleming aber noch seine verdienten Spuren in der Fernsehserienwelt hinterlassen: Er schuf einen US-Agenten namens Napoleon Solo für die Serie The Man From U.N.C.L.E., deren Verfilmung noch dieses Jahr in die Kinos kommen wird.
Quellen:
Andrew Lycett: Ian Fleming
Robert Sellers: The Battle For Bond
Henry Chancellor: James Bond. The Man and his World
LIFE Oktober 1966
The National Herald, July 2009
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