Sonntag, 10. November 2013

Kalter Krieger mit Schattenseiten

Eine Rezension zu William Boyds SOLO

James Bond 007 - SOLO, William Boyd, CoverZur Zeit fährt Ian Fleming Publications dreigleisig. Zum einen hat man mit dem letzten Buchprojekt Carte Blanche die Figur Bond quasi rebootet und in die Gegenwart geholt. Zum anderen hat man den Autoren Steve Cole beauftragt, die von Charlie Higson etablierte Young-Bond-Reihe weiterzuführen. (Mehr dazu auf The Book Bond) Und schließlich wurde Flemings Ur-Bond mit Devil May Care und jetzt mit SOLO in seiner Zeit fortgesetzt. Man lebt also nur dreimal - in den Sechzigern, als Teenager in den Vierzigern und in der Gegenwart. Die dankbarste Aufgabe mit den meisten Freiheiten hatte sicherlich Jeffery Deaver, sozusagen die künstlerische Carte Blanche. Beim Fleming-Bond dagegen gilt es, den in den Fünfzigern erschaffenen Agenten mit den Erwartungen heutiger Leser zu verbinden, die Bond nur aus Filmen kennen - was teilweise weit auseinander klafft. Ist William Boyd dieser Spagat gelungen?



SOLO gliedert sich in zwei Teile: Im ersten erhält Bond den Auftrag, den sich hinziehenden Bürgerkrieg zwischen den afrikanischen Staaten Dahum und Zanzarim für die dem Empire angenehmere Seite zu beenden. Bond wäre nicht Bond, wenn er nicht auch diese ungewöhnliche Aufgabe erfolgreich meistern würde. Doch zu einem Preis, der beinahe sein Leben bedeutet. Schwer verwundet sinnt er dann im zweiten Teil auf Rache, und die Agententätigkeit auf Solo-Pfaden führt ihn nach Washington, D.C., und schließlich noch einmal nach Afrika.

SOLO spielt 1969, dem Jahr, in dem der Filmbond gerade in den Alpen weilte und dort seinem Erzfeind Blofeld auf die Schliche kam. Das Jahr von Woodstock, Vietnam-Protesten und der Mondlandung. Boyd hätte genügend Aufhänger gehabt, um die Nostalgie-Karte voll auszuspielen, was der Vermarktung des Buches sicher zugute gekommen wäre. Doch er schickt den Spion Ihrer Majestät ausgerechnet in afrikanische Fantasiestaaten, die bei den wenigsten Lesern Wiedererkennungswerte, geschweige denn nostalgische Gefühle aufkommen lassen dürften.

Aber damit agiert Bond auch weit außerhalb seiner Komfort-Zone, was der Handlung eine gewisse Einzigartigkeit und Spannung verleiht. Ich fand die Frage schon immer interessant, welche Rolle Bond im zweiten Weltkrieg gespielt haben möge, und wie er als Agent in einem realen Krieg handeln würde. Beide Aspekte werden im Buch beleuchtet. Obwohl Bond teilweise ziemlich fragwürdig handelt - Stichwort Einbruch, Diebstahl, etc. - wirkt seine Vorgehensweise insgesamt durchaus nachvollziehbar und einfallsreich.

Fiktive Staaten sind natürlich immer so eine Sache, und man fragt sich, wem reale Staaten und politische Situationen von 1969 heute noch weh tun würden. Doch der Bürgerkrieg im Roman basiert auf dem Biafra-Krieg zwischen Nigeria und dem autonomen Biafra mit Zehntausenden von Toten, und da Bond nachhaltig in den Verlauf des Krieges eingreift, finde ich die Entscheidung für einen fiktiven Hintergrund absolut nachvollziehbar. Afrika lag als Handlungsschauplatz für Boyd sicher nahe, da er seine Kindheit zum Teil dort verbrachte und den Biafra-Krieg hautnah miterlebte. In vielen seiner Romane hatte er diese Erfahrungen auch schon verarbeitet. (Darunter A Good Man in Africa, der mit Sean Connery verfilmt wurde.)

Positiv ist mir auch aufgefallen, dass Boyd nicht wie Faulks der Versuchung erliegt, das gesamte Flemingsche Helfer-Arsenal aufzufahren, mit Felix Leiter, René Mathis und einigen anderen. Leiter taucht in den Staaten natürlich auf, aber seine Rolle ist ähnlich ambivalent wie in den neueren Filmen. Ein Satz wie "Den Verbündeten ausspionieren - das tun wir doch alle" wirkt erstaunlich tagesaktuell.

Insgesamt betrachtet empfand ich den Roman als spannend und gelungen. Boyd vertraut dem sorgfältigen Aufbau seiner Geschichte und verwendet nicht zwanghaft spannungserzeugende Pageturner am Ende jedes Kapitels. Punkte-Abzug gibt es allerdings am Ende. Hier habe ich ehrlich gesagt mehr erwartet - Mehr Mut und Konsequenz bei der Auflösung der politischen Verwicklungen. Fleming hat den politischen Hintergrund des Kalten Krieges und den beruflichen Hintergrund seines Helden meistens nur oberflächlich reflektiert, und man merkt Boyd an, dass er sich mit diesem Aspekt des Roman-Bonds nicht wirklich anfreunden kann. Man merkt es daran, dass sein Bond oft übertrieben brutal reagiert, oder auch am Subtext, wenn Bond für seine Rache durch einen gestohlenen Ausweis quasi die Identität eines Vampirs annimmt.

In Interviews betonte Boyd auch oft, dass er Flemings Bücher für sexistisch, rassistisch, etc. pp. hält. Ich glaube, dass es Boyd schwerfiel, für Bond als Spion des Empires mit unreflektierter Loyalität echte Empathie aufzubringen, und er deshalb auch verstärkt nach menschlichen Aspekten in den Fleming-Romanen suchte, wie etwa Bonds Flugangst, seine Internatszeit oder seinen Alkoholkonsum. (Siehe hier) Das will ich Boyd auch nicht vorwerfen, aber es verhindert eben auch, das sein Bondroman unter dem Strich wirklich herausragend ist. Als Autor muss man seinen Protagonisten lieben, und ich glaube, diese Liebe fiel Boyd teilweise schwer. Daher schwimmt sein Roman am Ende ein bisschen und wirkt etwas unentschlossen.

Was bleibt als Fazit... Boyd hat die schwierige Aufgabe, das Flemingsche Vermächtnis weiterzuführen, auf jeden Fall befriedigender bewältigt als Sebastian Faulks. SOLO ist spannend und bringt Bond in Situationen, die seine Fähigkeiten vollends fordern, gerade weil Boyd nicht Flemings ausgetretenen Pfaden folgt, sondern eine eigene Interpretation entwickelt. Die ganz große Begeisterung blieb allerdings leider aus - zumindest für mich persönlich. Weiter empfehlen würde ich das Buch insgesamt trotzdem.

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