Mittwoch, 2. Oktober 2013

Gladiatoren der Rennbahn

Rush
Deutschland/UK 2013
Regie: Ron Howard
Darsteller: Chris Hemsworth, Daniel Brühl, Alexandra Maria Lara

Obwohl Autorennen ein beliebtes Filmthema sind, gibt es bisher sehr wenige gute Filme über die Formel 1. Abgesehen von GRAND PRIX aus dem Jahr 1966 und der Dokumentation SENNA von 2010 beschränkt sich die Darstellung des Rennsports in Filmen wie DRIVEN eher auf Hollywoodklischees. Mit RUSH kommt nun eine britisch-deutsche Co-Produktion in die Kinos, die die legendäre Rivalität zwischen dem Briten James Hunt und dem Österreicher Niki Lauda in der Rennsaison 1976 zum Thema hat.



Das Drehbuch schrieb Oscargewinner Peter Morgan, der sich mit Filmen wie THE QUEEN oder THE LAST KING OF SCOTLAND zu einem Experten für biographische Stoffe und Duelle entwickelt hat. Bondfans dürfte der Name Morgan bekannt vorkommen, da er im Frühjahr 2010 als Co-Autor von SKYFALL verpflichtet wurde, mit der Regieübernahme von Sam Mendes jedoch absprang. Morgan, der zur Zeit an einem Film über Freddie Mercury schreibt, gestaltete die Dramaturgie der Geschichte dabei selbst wie ein Rennen. (siehe hier und hier)

Im Schatten der mittelalterlichen Nürburg: Die Rennstrecke,
auf der sich Laudas tragischer Unfall ereignete
Und so ist RUSH nicht nur ein Film über zwei Rennfahrer, sondern auch über zwei völlig verschiedene Einstellungen und Lebensentwürfe, die sich fast naturgemäß bekämpfen. Auf der einen Seite der Playboy James Hunt, der nicht nur vom Namen her an Bond erinnert. Morgan über ihn: “Every single person wanted to be James Hunt. He was funny, handsome, like James Bond but not uptight.” Bei Chris Hemsworth muss man tatsächlich öfter an den jungen und draufgängerischen Bond der frühen Flemingromane denken, der auch in CASINO ROYALE zu sehen ist. Am anderen Ende des menschlichen Spektrums ist Niki Lauda, der kühl, überlegt und sachlich-nüchtern handelt. Umso tragischer wirkt dann die Ironie, dass ausgerechnet Lauda einen beinahe tödlichen Unfall erleidet. (Der allerdings durch ein gebrochenes Teil am Fahrzeug verursacht wurde, wie im Film richtig dargestellt)

In Morgans geschickter Dramaturgie sind es die Charaktere, die sich nicht nur auf der Rennstrecke, sondern auch in ihren Privatleben ständig gegenseitig überholen und übertrumfen. Bei aller Gegensätzlichkeit verbindet die beiden jedoch die kompromisslose Leidenschaft für ihren Sport. Hunt setzt dafür seine Ehe auf's Spiel, Lauda bricht mit der konservativen Familie. Im wahren Leben waren beide schon viel eher Freunde, die Gegnerschaft ist im Film überspitzt. Das Leben schreibt zwar immer noch die besten Geschichten, doch es bedarf hin und wieder der Würze der Übertreibung an den richtigen Stellen. Im Gesamten bleibt der Film für eine Kinoproduktion jedoch der Realität erstaunlich nahe. Während der Pressekonferenz nach Laudas Unfall fragte ihn beispielsweise ein Reporter tatsächlich, ob sich seine Frau jetzt wohl scheiden lassen werde, so wie er aussehe. Die Reaktionen von Lauda und Hunt im Film hätte man sich auch im wahren Leben gewünscht. Auch der Wunsch eines Fans nach dem Datum unter einem Autogramm, weil es ja das letzte sein könne, entspricht der Realität.

In diesen Szenen setzt sich der Film auch kritisch mit der von allen Seiten billigend in Kauf genommenen Morbidität dieses Sports auseinander, von der er dramaturgisch natürlich auch profititiert. Wenn sich Hunt und Lauda vor einem Rennen kurz zunicken, bevor sie das Visier herunterklappen, wirken sie wie moderne Gladiatoren. Das zwanzig-prozentige Risiko zu sterben, dem die Fahrer damals vor jedem Rennen ins Auge blickten, wurde heute durch stetig verbesserte Technik und Rennstrecken erfreulicherweise fast gegen null reduziert. Die medial hochgepushten Siege eines Schwiegermutterlieblings wie Vettel wird sich allerdings in 30 Jahren wohl auch niemand im Kino ansehen.

Am Ende sind die beiden Kontrahenten aneinander gereift. Sowohl Chris Hemsworth als auch Daniel Brühl brillieren in ihren Rollen, und meistern gekonnt die Balance zwischen realer Figur und wirksamer Überspitzung. Vor allem Brühl, dessen Rolle wegen des noch lebenden und sehr kritischen Vorbilds wohl die schwierigere war, hat Aussprache und Gestus von Lauda teilweise genial verinnerlicht. Auch die Nebenrollen wie Alexandra Maria Lara und Olivia Wilde überzeugen. Ron Howards Regie ist dynamisch und mitreißend. (Obwohl man sich gerade auf der großen Leinwand manchmal etwas mehr Fahrerperspektiven gewünscht hätte) Die Musik von Hans Zimmer betrachte ich ebenfalls als sehr gelungen, da er seinen vielgescholtenen Pathos hier sehr dosiert einsetzt. Gerade wenn man die Musik mit frühen Arbeiten wie DAYS OF THUNDER vergleicht. (Wobei ich die massive Zimmerkritik mancher Leute ja eh nicht nachvollziehen kann)

Zusammenfassend ist RUSH für mich eine der überzeugendsten Filmproduktionen in diesem Jahr und damit eine klare Kinoempfehlung!

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