Handlungsort Venedig |
Oft muss auch eine Bedrohung abgewendet werden, wie etwa der Asteroid in ARMAGEDDON, oder auch etwas Unheilbringendes fortgeschafft werden, wie der Ring in LORD OF THE RINGS. Der 'Stamm' von James Bond ist natürlich Großbritannien, und er wird losgeschickt, wann immer sein Land bedroht wird. In FROM RUSSIA WITH LOVE soll er quasi das Feuer des gegnerischen Stammes, der Sowjetunion, stehlen, in Form der Dechriffiermaschine Lector. Sie ist sozusagen das Elixier, dass dem Vereinigten Königreich einen entscheidenden Vorteil im Kalten Krieg verschaffen soll. Die meisten Helden reagieren auf den Ruf des Abenteuers erst einmal mit einer Weigerung, doch da Bond berufsmäßig losgeschickt wird, fehlt diese in den meisten Bondfilmen. In FROM RUSSIA WITH LOVE ist es vielleicht am ehesten noch der Moment, als Bond M darauf anspricht, dass es sich höchstwahrscheinlich um eine Falle handelt.
Dass es sich tatsächlich um eine Falle handelt weiß der Zuschauer bereits aus der Vortitelsequenz, in der ein Mann, der durch eine Gesichtsmaske wie Bond aussieht, getötet wird. Rein logisch ergibt diese Szene nicht allzu viel Sinn, denn die Maske macht in der Trainingssituation keinen Unterschied. Aus dramaturgischer Sicht ist sie allerdings brillant, da sie zum einen den Zuschauer überrascht, und zum anderen die Absicht des Gegners, deren Schilderung im Roman fast ein Drittel in Anspruch nimmt, sehr prägnant und rein visuell auf den Punkt bringt. Ursprünglich war hier ein Actionfeuerwerk auf dem Übungsparkour von SPECTRE geplant, aber inspiriert von dem surreal-hypnotischen französischen Film L'ANNÉE DERNIÈRE À MARIENBAD wurde es eher eine schlichte Sequenz, in der Bonds Schicksal, beobachtet von den Statuen griechischer Götter, offenbar geschmiedet wird.*
Dechriffiermaschine Enigma Nema im Spionagemuseum Oberhauen |
Ein weiterer Archetyp neben dem Helden und dem Mentor ist der Gestaltwandler, der seine Identität verhüllt und in verschiedenen Masken auftritt. Sowohl Tanya als auch Red Grant sind solche Gestaltwandler. Tanya erscheint erst als feindliche Agentin mit unbekannten Absichten, entpuppt sich am Ende jedoch als Verbündete und Geliebte. Grant dagegen tritt erst in der Maske des Helfers auf, als er offenbar Bonds Leben rettet, und dann als Captain Nash in der Maske des Mentors. Sein wahres Gesicht am Ende ist dann umso erschreckender.
Da die meisten Reisen aus einer ebenso langen Hin- wie Rückreise bestehen, befinden sich die Helden oft genau in der Mitte der Geschichte im tiefsten Feindesland, wo es das Elixier zu rauben gilt. Sie dringen dafür in die tiefste Höhle des Bösen vor, oder in den Bauch des Walfisches, wie Campbell es nennt. Die Rückreise ist dann oft eine einzige lange Verfolgungsjagd, da die gegnerischen Mächte ihrem Elixier natürlich hinterherjagen.
Bond und Tanya sind in der Mitte des Films in der russisches Botschaft, also direkt auf dem Territorium des Feindes. Dort raubt Bond das Elixier, die Lector, nach einer Explosion und begibt sich damit in die tiefsten Höhlen Istanbuls. Dann beginnt die gefahrvolle Rückreise im Orient-Express, bei dem russische Agenten das Elixier abjagen wollen. Schließlich opfert sich der Mentor, und der Schatten lässt seine Masken fallen. Nachdem Bond die entscheidenste Prüfung mit Hilfe der Gaben von Zauberer Q bestanden hat, muss er das Elixier nun noch an grimmigen Schwellenhütern vorbeischleusen, in Form eines Helikopters, bewaffneter Boote und schließlich mit Rosa Klebb der bösen Hexe persönlich.
Es folgt das Happy End mit der aus den Fängen des Reichs des Bösen geretteten Lady. Und da er nicht gestorben ist, erfreut sich Bond auch 50 Jahre später noch bester Gesundheit.
Die Belohnung: Romantische Nächte in Venedig |
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* Dieser visuelle Verweis auf die antike Götter- und Sagenwelt ist in Anbetracht von Flemings Roman gar nicht so abwegig, wo es zu Beginn heißt: "Wen die Götter vernichten wollen, den liefern sie zuerst der Langeweile aus."
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