Donnerstag, 31. Januar 2013

James Bond und Jules Verne

Heute vor 150 Jahren erschien Fünf Wochen im Ballon (Cinq semaines en ballon), das erste Buch in der Romanreihe der Voyages extraordinaires, die Jules Verne als Vater der Science Fiction und der phantastischen Literatur weltberühmt werden ließ. Grund genug, auf die Verne´schen Einflüsse im Bondfranchise einzugehen.








Sowohl Verne als auch Fleming besaßen eine umfangreiche Sammlung von Notizen zu allen möglichen geographischen und wissenschaftlichen Themen, und beide arbeiteten vor ihrer literarischen Berufung mit sehr mäßigem Erfolg als Börsenmakler. Beiden Autoren ist zudem gemein, dass sie die ersten Verfilmungen ihrer Werke noch miterlebten - bei Verne die berühmte Filmfassung LE VOYAGE DANS LA LUNE von Georges Méliès 1902 - und trotz großen Erfolgs nie wirklich literarische Anerkennung fanden.

Eins der bekanntesten Bücher von Jules Verne - 20.000 Meilen unter dem Meer - enthält auch die vielleicht berühmteste Figur überhaupt in Vernes Werk, Kapitän Nemo. Nemo ist von der Konzeption her ein genialer Charakter - einerseits ein zutiefst verbitterter Menschenfeind, der skrupellos Schiffe versenkt; andererseits ein hochintelligenter und kultivierter Mensch, dessen Motive letztendlich nachvollziehbar sind. Erst im Fortsetzungsroman Die geheimnisvolle Insel findet man genauere biographische Daten: Geboren als indischer Prinz kämpfte er gegen die britische Besatzung. Nach einer Rebellion verlor er seine gesamte Familie sowie sein Königreich, und widmete sich fortan der wissenschaftlichen Forschung. Mit seinem Unterseeboot Nautilus als geheimen Hauptquartier kämpft er schließlich gegen den Imperialismus. Diese attraktive Mischung aus bedrohlichem Intellekt und kultiviertem Gastgeber-Gestus beeinflusste natürlich viele nachfolgende überlebensgroße Antagonisten sehr stark, und damit auch das Bonduniversum.

Buchillustration zu "20.000 Meilen unter dem Meer",
Cover der Erstausgabe von "Dr. No"
In den Romanen von Ian Fleming erinnert am ehesten Dr. No an Nemo, mit seinem Hintergrund als Wissenschaftler und seinem Inselversteck samt Unterwasserfenster und Riesenkrake. Während die Nautilus für ein Seeungeheuer gehalten wird, benutzt No ein als Drachen getarntes Fahrzeug. Auch die Namen ähneln sich: Nemo ist lateinisch für Niemand, englisch No one.

Aber es gibt auch eine Verbindung zu Mr. Big: Nemo nutzt den von ihm gefundenen Goldschatz der spanischen Armada für seine Zwecke; im Roman Leben und sterben lassen verwendet Mr. Big den Goldschatz des Piraten Sir Henry Morgan, um seine Operationen zu finanzieren.



Von den Schurken der Fleming-Romane hat jedoch niemand eine so idealistische Motivation wie Nemo. Daran nähert man sich erst später in den Filmen an, und zwar 1977 mit THE SPY WHO LOVED ME. Karl Stromberg ist tatsächlich soetwas wie ein Nemo des 20. Jahrhunderts. Statt Schiffe zu versenken entführt er Atom-U-Boote und will den dritten Weltkrieg auslösen, um eine neue Welt im Schoß der Ozeane zu erschaffen. Womit er letztlich auch etwas unsympathischer erscheint als Nemo.

Kongenial dargestellt wurde Nemo von James Mason im Disney-Klassiker von 1958. Mason, der hier für mich einer der besten Antagonisten der Filmgeschichte überhaupt ist, hätte beinahe auch Hugo Drax in MOONRAKER verkörpert, doch die französische Gewerkschaft verlangte nach einem heimischen Schauspieler. (Wenn man den Trivia der Seite imdb.com glauben darf, war ein Vorbild für den literarischen Hugo Drax tatsächlich eine weitere überlebensgroße Jules-Verne-Figur: Robur der Eroberer, eine Art Nemo der Lüfte mit seinem Rotor-Luftschiff Albatros.)

"Facing the Flag" von Hippolyte Léon Benett
(wikipedia)
Aber noch ein anderer, etwas unbekannterer Roman von Jules Verne wirkt wie eine Vorform von James Bond: Die Erfindung des Verderbens (Face au drapeau, engl. Facing the Flag). Darin entführt der Seeräuber Ker Karraje den ebenso genialen wie verrückten Wissenschaftler Thomas Roch aus einem Sanatorium. Roch hat einen neuartigen Super-Sprengstoff entwickelt, mit dem man Massenvernichtungswaffen bauen könnte. Der Ingenieur Simon Hart, der unter einer falschen Identität Roch betreute, wird ebenfalls entführt und kommt Karraje auf die Spur. Der Pirat hat ein geheimes Hauptquartier in einer erloschenen Vulkaninsel (!), die wegen ihrer Form Back Cup (umgedrehte Tasse) genannt wird. Karraje erzeugt durch Pyrotechnik nach außen hin die Illusion, dass der Vulkan noch aktiv ist, und bringt Roch dazu, Raketen mit dem Super-Sprengstoff herzustellen.

Hart kann die Weltöffentlichkeit durch eine Flaschenpost davon in Kenntnis setzen, und Kriegsschiffe belagern daraufhin die Vulkaninsel. Karraje sprengt sich mitsamt der ganzen Insel schließlich selbst in die Luft, während Simon Hart entkommen kann. Würde man hier den Protagonisten mit dem Hintergrund eines Agenten anstelle des Ingenieurs ausstatten, würde man eine Dampfzeitalter-Variante von James Bond erhalten. Jules Verne nahm hier nicht nur die politischen Auswirkungen von Massenvernichtungswaffen wie der Atombombe im Kalten Krieg vorweg, sondern auch die Gefahr dieser Waffen in den Händen von Terroristen.

Der Filmwissenschaftler Thomas Renzi sieht in der Figur des Erfinders Roch, der von dem realen Chemiker Eugéne Turpin inspiriert wurde, auch die Urform des mad scientist, der mit Charakteren wie Dr. No oder Blofeld integraler Bestandteil der Bondfranchise ist.

Verfilmt wurde Die Erfindung des Verderbens vom tschechischen Regisseur Karel Zeman, der die Kupferstich-Optik der frühen Buchillustrationen trickreich in den Film übernahm. Hier der DVD-Trailer für den Film, der auf der Weltausstellung in Brüssel 1958 den Grand Prix erhielt:

1 Kommentar:

  1. http://bernews.com/2013/03/jules-vernes-forgotten-bermuda-adventure/

    Etwas ausführlicherer Artikel mit einigen Ähnlichkeiten zu meinem. Am Ende werden auch die Bond-Parallele, Renzi, der Zeman-Film und die Expo in Brüssel erwähnt. Ein schöner Zufall...

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